Vigilienturm (Bad Dürkheim)

Ruine des Vigilienturms 1787. Vergrößerter Ausschnitt eines Steindrucks, betitelt „Dürkheim von der Morgenseite“, auf Stein gezeichnet von F. Fritsch, lithogr. von Johann RiegerDer Turm war ursprünglich dem heiligen Vigilius geweiht, einem in den Erzbistümern Straßburg und Trier verehrten Märtyrer des 4. Jahrhunderts. Erst im 19. Jahrhundert erfolgte die antikisierende Umdeutung seines Namens auf die Vigilien, die vier Nachtwachen im römischen Heer.

Beim Vigilienturm handelt es sich weniger um eine eigentliche Burg, als um den Typus eines abgesetzten Artilleriewerks, das auch als Beobachtungsturm diente. Seine Zugehörigkeit zur Burg Alt-Dürkheim bzw. zur Stadt (Bad) Dürkheim ist evident. Die Anlage befand sich noch innerhalb des 1360 urkundlich erwähnten Burgfriedens (s. Alt-Dürkheim) auf dem Hagelsberg (halsperge), der heute als Vigilienberg bezeichnet wird. Die verschiedentlich geäußerte Annahme, man habe den Vigilienturm in ein älteres, bereits 1359 entstandenes Vorwerk von Burg und Stadt integriert, erscheint zwar logisch, ist letztlich jedoch ebenso unbewiesen wie die Existenz eines römerzeitlichen Wartturmes an dieser Stelle.

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Die mit dem bekannten Turm „Kleinfrankreich“ (s.d.) bei Erlenbach verwandte Kernanlage ließen zwischen 1460 und 1464 die Grafen von Leiningen durch ihren angeworbenen Baumeister Per Senf(f)er auf der kleinen, Burg und Stadt (Bad) Dürkheim beherrschenden Bergkuppe errichten. Dies verhinderte einerseits die Besetzung dieser Position, die direkten Sichtkontakt zur Schloßgasse, mithin zur Burg und zum Stadtzentrum hatte, durch feindliche Truppen und ermöglichte andererseits die Beherrschung des Vorfelds von Burg und Stadt.

Vigilienturm, Ausschnitt aus dem Urkatasterplan von 1831 (aus: Nachdruck des Uraufnahmeblatts des Jahres 1831, Landesvermessungsamt Rheinland-Pfalz, [Koblenz] 1992)	Bei der Belagerung Bad Dürkheims im Jahre 1471 durch Truppen Pfalzgraf Friedrichs I. spielte der damals hochmoderne Artillerietum eine gewichtige Rolle. In Michel Beheims Reimchronik wird dieses Bollwerk ausführlich beschrieben: Danach waren hier hinter vielen Scharten (viel schiessfenster) Tarrasbüchsen (Wallgeschütze) und Feldschlangen (mittlere oder schwere Geschütze) positioniert. Ebenso wie Burg und Stadt ließ Friedrich I. den Vigilienturm acht Tage lang belagern und mit schweren Steinkugeln (175 Kilogramm) heftig beschießen. Am 18. August 1471 fi elen nach mehrstündigem, verlustreichen und blutigen Kampf das Bollwerk sowie Burg und Stadt in kurpfälzische Hand. Auf Befehl des Pfalzgrafen wurde der Turm niedergebrannt, entfestigt und aufgelassen. Darüber hinaus ließ der Pfalzgraf auch die Gräben verfüllen.

Ob der Vigilienturm im Zusammenhang mit der Wiedererrichtung der Stadtbefestigung um 1529 wieder instandgesetzt wurde, ist ungewiss. Erwähnt wurde der Vigilienturm im 17. und 18. Jahrhundert jedenfalls nur noch in Flurnamen, dies ist sicherlich ein Indiz dafür, dass die Anlage spätestens zu diesem Zeitpunkt aufgelassen war.

1835 war das Areal in der Hand des Otterberger Pfarrers Georg Knobloch, der es zwei Jahre später an den Weingutsbesitzer Johannes Fitz verkaufte. Dieser ließ das teilweise mit Schutt gefüllte, erhaltene Turmuntergeschoss 1838 abbrechen und veräußerte die Steine. Auf den Fundamenten des Turms ließ er 1842 ein heute noch bestehendes klassizistisches Weinbergshäuschen, eigentlich einen repräsentativen Gartenpavillon, errichten. 1860 erwarb der Weingutsbesitzer Johann Georg Zumstein das Anwesen. Ein Nachkomme des Erwerbers, Hans Phillipp Zumstein, übergab 1978 das klassizistische Weinbergshäuschen dem Drachenfels-Club Verschönerungsverein Bad Dürkheim e.V.


Baubeschreibung
Bei dem eigentlichen zentralen Wehrbau handelte es sich um einen kreisrunden (Durchmesser außen 6, innen 3,1 Meter), mindestens zweigeschossigen Turm, der durch eine spitzbogige Tür im Erdgeschoss zugänglich war. Das aufgehende Mauerwerk bestand aus relativ großen Glattquadern und war im Grundriss, Schnitt und Ansicht ABB. 63 Der Vigilienturm vor seinem Abbruch, Grundriss, Schnitt und Ansicht von Süden, Tuschezeichnung von N.N., vor 1836/37 (Heimatmuseum Bad Dürkheim, Inv. -Nr. 1971-48 [AS 1205])Erdgeschoss zweischalig aufgeführt. Die äußere und innere Mauer des Erdgeschosses, die vor dem Abbruch noch mehr als drei Meter (ursprüngliche Höhe 3,5 Meter) aufragten, bestanden außen aus zwei bzw. innen aus drei Schichten behauener Sandsteinquader. Der relativ breite Zwischenraum war offensichtlich mit Steinen und Bauschutt sowie Mörtel und Lehm verfüllt. Im Untergeschoss befand sich eine schräg nach unten zeigende Schießscharte. Weitere Scharten auf dieser Ebene sind aus Beschreibungen des frühen 19. Jahrhunderts bekannt und in dem oder den Obergeschossen ebenfalls anzunehmen.Die stärkere Innenmauer war identisch mit der Außenmauer des nächsthöheren Geschosses, das einen Außendurchmesser von 4,2 Metern aufwies. Ein Wehrgang in Höhe des Fußbodenniveaus des ersten Obergeschosses gewährte zusätzliche Verteidigungsmöglichkeiten. Die Brüstung war mit der Außenmauer identisch. Der Fußboden dieses Umlaufs soll aus in Lehm verlegten Steinplatten bestanden haben.

Das erste Obergeschoss bzw. die obere Mauerfl äche (= der umlaufende Wehrgang) war mit Hilfe einer dem Eingang benachbarten Wendeltreppe erreichbar. Über die Anzahl der weiteren Geschosse (mindestens eins) sowie deren Außengestaltung sind keine gesicherten Aussagen zu treffen, da dieser Bereich offensichtlich bereits im 15. Jahrhundert abgebrochen wurde. Dies gilt auch für den Turmabschluss: denkbar ist sowohl eine Überdachung als eine Geschützplattform.

Eine tiefergelegene Ringmauer und Aufwallungen umschlossen das Gipfelplateau, in dessen Mitte der Turm positioniert war. Der Beschreibung Michel Beheims ist zu entnehmen, dass der Turm von Mauern, Palisaden und einem Graben gesichert war. Dieser Graben befand sich auf der Nord- (heute: Vigilien-) Straße und vielleicht auch auf der Ostseite; die West- und vor allem aber die nach Süden zur Stadt gerichtete Seite waren durch den Steilabfall des Vigilienbergs hinreichend geschützt. Reste dieser Fortifi kationen, insbesondere der Wälle, die noch 1834 Johann Georg Lehmann und 1836 Michael Frey sahen, sind heute verschwunden.
 

 

Topographie
Fast vollkommen abgegangene Wehranlage nördlich Bad Dürkheims. Die nicht frei zugängliche Burgstelle ist seit 1842 von einem klassizistischen Weinbergshäuschen überbaut. Die Burgstelle befindet sich auf dem mäßig hohen, jedoch die Ebene beherrschenden Gipfel des Vigilienbergs unmittelbar nördlich der Altstadt von Bad Dürkheim (ursprünglich: Hagelsberg).

 


49*27’ 53,9’’N     08*9’56,0’’O

RW: 343952         HW: 5481113

 


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Das Buch zum Bericht - Das Pfälzische Burgenlexikon

lexikon_4b.jpgDer Artikel wurde in gekürzter Form entnommen aus: Pfälzisches Burgenlexikon, Bd. 4, St –Z, hrsg. v. Jürgen Jürgen Keddigkeit, Ulrich Burkhart und Rolf Übel, Kaiserslautern 2007. Teil eins und zwei des 4. Bands des pfälzischen Burgenlexikons beinhalten Artikel über 113 bzw. 89 Burgen, Burgruinen und Burgstellen, ISBN 3-927754-48-X. Dieses Doppelwerk sowie die Bände 1, 2 und 3 sind in allen Buchhandlungen zum von Preis von jeweils € 39.90 erhältlich.

 

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