Ein Gründervater der Bundesrepublik

Der Pfälzer Albert Finck: Mitautor des Grundgesetzes und Geburtshelfer der Nationalhymne

An der Wiege der Bundesrepublik und des Grundgesetzes stand vor jetzt 60 Jahren, 1949, auch ein Pfälzer Katholik: Albert Finck. Seine Kraft schöpfte er zeitlebens aus den Quellen des christlichen Glaubens, den er mit einer heiteren Liberalität zu leben wusste. Wenn er von seinem Haus in Hambach zum Gottesdienst ging, kam er manchmal nur bis zu einer Weinstube am Schlossberg, erklärte aber augenzwinkernd: "Im Umkreis von 300 Metern gilt die Messe noch."


Finck wurde 1895 als jüngster Sohn einer kinderreichen Familie in Herxheim bei Landau geboren. Beheimatet im katholischen Sozialmilieu, sollte er wie sein Bruder Johannes eigentlich Pfarrer werden. Albert wohnte im Konvikt in Speyer und besuchte das Humanistische Gymnasium am Dom. Kaum hatte der Abiturjahrgang 1914 die Prüfungen abgelegt, da fielen die Schüsse von Sarajewo. Der Erste Weltkrieg wirbelte die Lebensentwürfe durcheinander. Finck begann in München zu studieren, rückte aber bald mit 20 Jahren als Rekrut ein. Ende 1918 kehrte er als Reserveoffizier zurück, um über das Naturrecht zu promovieren. Mit seinem Bruder übernahm er 1921 in Ludwigshafen die Redaktion der neu gegründeten "Pfälzischen Landeszeitung". Das Zentrumsblatt kämpfte gegen den Separatismus und die Annexionspläne der französischen Besatzer.

"Wir Pfälzer sind Grenzdeutsche geworden. Das legt uns im besonderen Maße nahe Friedensdeutsche zu werden", warb Albert Finck zuglech schon weitsichtig dafür, jeden engstirnigen Nationalismus zu überwinden: "Eine umfassende und ehrliche deutsch-französische Verständigung ist für beide Nationen eine politische Lebensnotwendigkeit. Warum sollen sich Deutschland und Frankreich nicht versöhnen?" Ganz gegen den revanchistischen Zeitgeist in Europa erklärte er: "Wir Pfälzer haben gar keine Veranlassung, ewige Erbfeindschaft mit Frankreich zu predigen."

Mutig verteidigte der Chefredakteur die Demokratie bis zuletzt gegen die Nationalsozialisten, die ihn als "Schmierfink" brandmarkten. Mehrere Wochen musste der Hitlergegner 1933 in "Schutzhaft" zubringen. Nur knapp entging er dem Konzentrationslager Dachau. Seine Familie ernährte er während der braunen Diktatur als Versicherungsvertreter und Aushilfslehrer am Gymnasium in Neustadt. 1945 setzte sich Finck mit seinem Bruder, nun Dekan in Limburgerhof, maßgeblich für den Zusammenschluss von Protestanten und Katholiken innerhalb der Christlichen Demokratischen Union ein.

Vom rheinland-pfälzischen Landtag nominiert, zog der 53-jährige 1948 in den Parlamentarischen Rat in Bonn ein. Neben dem Sozialdemokraten Friedrich Wilhelm Wagner (Ludwigshafen) war er der einzige Repräsentant aus dem Süden des neuen Landes. Allerdings entsandte Bayern, das auf den Wiederanschluss der Pfalz spekulierte, zwei gebürtige Pfälzer: Wilhelm Laforet (Edenkoben) und Anton Pfeiffer (Rheinzabern), beide CSU. Finck zählte zu den wenigen der 65 Abgeordneten, die vorher kein Mandat oder Ministeramt besessen hatten. Zur Arbeit an der Verfassung leistete er, obwohl kein Jurist, trotzdem seine Beiträge. Die Fraktion schätzte die geübte Feder des Journalisten. In der Hauptstadt-Frage votierte der Patriot gegen Frankfurt: "Bonn wird immer Provisorium bleiben und unsere eigentliche Hauptstadt Berlin nicht aus dem Auge verschwinden lassen, während Frankfurt was Endgültiges werden könnte, so dass dieser Anspruch Gefahr läuft, in Vergessenheit zu geraten", erläuterte er seinen Gymnasiasten in Neustadt. Mit ihnen probte der Studienrat Abstimmungen oder ließ sie die Verfassung des athenischen Staatsmanns Solon mit den Bonner Entwürfen vergleichen.

Als geistreicher Redner vertrat er ein traditionelles katholisches Anliegen, das Vorrecht der Eltern auf die Erziehung, das hieß damals auf konfessionellen Schulunterricht für die Kinder. Nachdem sein kompromissloser Fraktionskollege Adolf Süsterhenn durch einen Autounfall ausgeschieden war, soll sich Finck mit Theodor Heuss bei einem guten Wein über die kulturpolitischen Fragen verständigt haben. Heuss dichtete seinerzeit ein "ABC des Parlamentarischen Rates"; die Stärke des Christdemokraten erkannte der FDP-Chef in der Kombination von bodenständiger Religiosität und einer Leichtigkeit des Seins: "Fidel und fromm - vielleicht das rheinische Glück! Der frohe Finck besorgt die Pfälzer Beimusik".

Fincks historische Stunde schlug erst nach der Unterschrift unter das Grundgesetz. Kurz vor der Bundestagswahl 1949 kam Konrad Adenauer, der Präsident des Parlamentarischen Rates, auf seine Einladung in die Pfalz. Zu der CDU-Kundgebung in der Landauer Festhalle strömten 3000 Menschen, darunter der 19 Jahre alte Helmut Kohl, Ziehsohn der Finck-Brüder. Am Ende forderte Albert Finck den begeisterten Saal auf, die dritte Strophe des Deutschlandliedes als "unsere Nationalhymne" zu singen: "Einigkeit und Recht und Freiheit." Am selben Tag, 9. August 1949, veröffentlichte Finck seinen Hymnenvorschlag in einem Leitartikel der "Rheinpfalz". Er bemängelte, dass das Grundgesetz kein Bundeslied vorsehe, und erinnerte daran, dass 1922 der Sozialdemokrat Friedrich Ebert als Reichspräsident das Deutschlandlied zur Hymne erhoben hatte. Von den Nationalsozialisten war jedoch die erste Strophe ("Deutschland über alles in der Welt"), die Hoffmann von Fallersleben 1841 zur Kaisermelodie Haydns gedichtet hatte, missbraucht und von den Siegern des Zweiten Weltkrieges verboten worden.

Finck nahm 1949 auch an der legendären Rhöndorfer Konferenz in Adenauers Privathaus teil und stieg 1951 zum Kulturminister in Mainz auf. Seine Initiativen für die dritte Strophe zogen weite Kreise, trafen allerdings auf den Widerspruch des Bundespräsidenten Heuss. Adenauer wiederholte bei seinem ersten Besuch als Bundeskanzler in Berlin den Coup von Landau. Am Ende einer Rede rief er dazu auf, "Einigkeit und Recht und Freiheit" anzustimmen" anzustimmen. 33 Monate nach Fincks Vorstoß richtete Adenauer im Mai 1952 an Heuss offiziell die Bitte, die Hymne anzuerkennen und bei staatlichen Veranstaltungen die dritte Strophe zu singen.

Fincks Verhältnis zu Heuss litt nicht unter der Kontroverse, wie ein Brief von Anfang 1952 zeigt. Darin fragte das Staatsoberhaupt "in freundlicher Erinnerung an die gemeinsame Arbeit" im Parlamentarischen Rat den Kultusminister, ob nicht "die beiden christlichen Kirchen gemeinsam etwas für den Aufbau einer Synagoge leisten könnten". Heuss, der an die jüdische Synagoge in Worms dachte, betonte die "tiefere religionspolitische" Möglichkeit dieses Vorschlags.

Finck starb 1956, erst 61 Jahre alt. Begraben liegt er auf dem Hambacher Friedhof unter einem Kreuz aus Rebenholz. Es wäre der Traum der Fincks gewesen, das Werk der Wiedervereinigung durch Bundeskanzler Kohl zu erleben, den eine repräsentative Umfrage soeben zur bedeutendsten Gestalt seit 1949 gekürt hat. In Berlin bemüht sich gegenwärtig eine Initiative, eine Straße in der Hauptstadt nach dem Geburtshelfer der Nationalhymne und Mitschöpfer des Grundgesetzes, einem weithin vergessenen Gründervater des Bundesrepublik, zu benennen.

Albert FinckUnser Autor: Der Historiker Dr. Theo Schwarzmüller ist Direktor des Instituts für pfälzische Geschichte und der Pfalzbibliothek in Kaiserslautern. Er schrieb u.a. das Buch "Albert Finck und die Nationalhymne. Eine Lebensreise vom Kaiserreich zur Bundesrepublik".

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