Steinerne Erinnerungen an die Franzosenzeit

{gallery labels=captions}geschichte/franz_steine/franz_steine04.jpg{/gallery}Die Geschichte der Südpfalz wird seit Jahrhunderten durch die Nähe zu Frankreich beeinflusst. So wurde die Stadt Landau als eine der 10 Reichsstädte der habsburgischen Vogtei im Elsass 1648 unter französischen Schutz gestellt und um 1690 begann unter Ludwig XIV der Ausbau zur „größten Festung der Christenheit". Die beiden Stadttore mit ihrer lateinischen Inschrift „NEC PLVRIBVS IMPAR" (auch einer Übermacht gewachsen) im Giebelfeld erinnern noch an diese Zeit. Auch das mit Kriegsornamenten reich verzierte Denkmal des 1690 verstorbenen Generals Monclar, das heute neben dem Französischen Tor in der Xylanderstraße steht, ist auf Lateinisch beschriftet.

 

Im französischen Erbfolgekrieg und in den Revolutionskriegen am Ende des 18. Jahrhunderts gerieten weitere linksrheinische Gebiete unter französischen Einfluss. Am „Heldenstein" bei Edenkoben weisen einige Denkmäler auf die wechselvolle Geschichte der verlustreichen Kämpfe im Revolutionskrieg 1792-97 hin.

 

Doch trotz aller Bemühungen blieben die Menschen ihrer pfälzischen Vergangenheit treu, und ebenso wie im Elsass gelang es nicht, die französische Sprache im Alltag durchzusetzen. So beschränken sich französische Inschriften auf wenige Beispiele wie die 1811 entstandenen Ruhebänke, die man später als „Napoleonsbänke" bezeichnet hat. Bei Ilbesheim, Klingenmünster und Mühlhofen lassen sich noch kurze Texte wie „Erigé par la Commune ..." (Errichtet durch die Gemeinde ...) entziffern.

 

Dass es weitere französische Inschriften gegeben haben muss, belegt ein Wirtshausschild mit der zweisprachigen Inschrift im Stadtarchiv von Landau:

Bierbrauereÿ zum Goldenen Pflug
bei G. Friedrich Heitz
Brasserie à la Charrue d'or
chez G. Frederic Heitz.

Doch die Franzosenzeit brachte auch neue Impulse, die von der Bevölkerung gern aufgenommen wurden. Dazu gehörten die vergleichsweise liberalen Gesetze des „Code Napoleon" und die Einführung des metrischen Maßsystems, die komplizierten und regional recht unterschiedlichen alten Maßsysteme ablöste. Und so konnte es nicht ausbleiben, dass auch die neue Zeitrechnung des „Revolutionskalenders" in das öffentliche Bewusstsein gerückt wurde. Dieser neue Kalender begann am 22. Sep. 1792 mit dem „Weinlesemonat" des Jahres „Eins" am 1. Vindémiaire I. Die 12 Monate waren mit 30 Tagen alle gleich lang, und fünf bzw. sechs Feiertage beendeten als „jours complimentaires" den Jahreskreis und passten den Kalender an das Sonnenjahr an. Der siebentägige Wochenrhythmus wurde durch drei Dekaden ersetzt. Die amtliche Zeitrechnung machte sich auch bei den Personenstandsregistern bemerkbar, die jetzt nicht mehr in den Kirchenbüchern sondern in Zivilstandsregistern beim Standesamt geführt wurden.

 

{gallery labels=captions}geschichte/franz_steine/franz_steine02.jpg{/gallery}Und so konnte es nicht ausbleiben, dass auch Bauherren das Baudatum im Stil der neuen Zeit an die Häuser schrieben. Am bekanntesten sind hier die Inschriften von Nußdorf, das schon früh zum französischen Landau gehört hatte. An 14 Häusern gibt es großformatige Bautafeln aus der Zeit von 1777 bis 1867. Acht dieser Bautafeln aus de Zeit von 1798 bis 1804 (Kirchstraße 6, 19, 51, 53, Geiselgasse 31, 35, Lindenbergstraße 52 und Hintergasse 5) tragen zusätzlich das französische Revolutionsdatum. Die älteste Inschrift befindet sich am Haus Kirchstraße 51 und ist mit einem Küferwappen verziert. Ihr Text lautet: „Dieses Haus hat erbauet / Georg Bernhard Hochdörffer / und seine Ehliche Haußfrau. / Maria Chatharina / Eine gebohrne Heupelin / Im 7. Jahr der Fr:Rep: / alten Stiels 1798". Die Rechtschreibregeln des Herrn Duden waren damals noch nicht festgelegt, und so machte man keinen Unterschied zwischen „gebohren" und „gebohrt" oder zwischen „Stiel", „Stil" und „Styl".

 

{gallery}/geschichte/franz_steine/franz_steine03.jpg{/gallery}Vorbild dieser Tafeln waren die Inschriften des Bürger und Metzgermeisters Jakob Schlachter von 1777 am Haus Kirchstraße 3 und die des Küfers  labels=captionsZimpelmann von 1786, Kirchstraße 8. Die einzelnen Inschriften sind zwar unterschiedlich gestaltet, gemeinsam ist ihnen, dass sie meist unter einem Fenster des Obergeschosses angebracht sind. Und außer dem Erbauer wird seine Ehefrau mit ihrem Mädchennamen genannt. Entsprechend dem damaligen Sprachgebrauch ist das Kürzel „Fr:Rep" als „Fränkische Republik" zu lesen. Die Schrift weicht von den übrigen Textstellen ab, die in Fraktur-Schrift ausgeführt sind – sozusagen als Symbol einer neuen Epoche.

 

Der älteste Nußdorfer Hinweis auf den Revolutionskalender findet sich allerdings im Türsturz Kirchstraße 9 als Spolie mit der Inschrift

„I.F.U. / M.B.U. / im 6. J:" und verweist damit auf das Jahr 1797/98.

Aber auch in anderen Gemeinden der Südpfalz gibt es Hinweise auf diesen Kalender, allerdings sind sie dort an Fachwerkbauten zu finden. In Dierbach lesen wir am Haus Hauptstraße 46 an einem Eckpfosten „Christoph /  Hutmacher / und / Julianna / desen / Ehefrau / haben dieses / Haus erbaut / im Jahr / 8", was auf das Jahr 1799-1800 hinweist.

 

In Rohrbach ist am Haus Insheimer Straße 7 im Gesimsbalken in Fraktur zu lesen: „Dieses Hauß ist Mit der Hülf Gottes Erbauet worden von Valentin Dorst • Ich hab gebauet ün der Gassen Es wird Jederman Ungedallet Lassen • Ano 1801 im 9. Jahr der Republik.

 

{gallery labels=captions}geschichte/franz_steine/franz_steine05.jpg{/gallery}In Steinweiler (Landkreis Germersheim) gibt es gleich zwei derartige Inschriften, und zwar an den Häusern Ringstraße 5 und der Sackgasse 8:

„Anno 1805 Ist dieses Haus mit der Hülf Gottes erbauet Worden von Heinrich Knauber und seine Ehfrau Eva Elisabetha im 13. J.D.R."
„1801 Dieses Haus ist mit der Hilf Gottes Erbauet worden von Johannes Huber und seine Ehfrau Barbara Huberin im 9. Jahr".

In Herxheim gibt es ein Beispiel am Haus Oberhohlstraße 8 am Simsbalken:

„DIESES HAUS HAD ERBAUT• UALENTIN MILLER UND URSULA MILLER GEBOHRNE SEITER DESSEN EHE FRAU IM IAHR XI • 1803"

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Eine Besonderheit weist das Haus Kreuzstraße 4 des Herxheimer Ortsteils Hayna auf. In einer Holztafel im Fachwerk finden wir eine Bauinschrift mit dem Zeichen eines Bauhandwerkers. Das Winkelsymbol mit der Kerbe am Fuß stellt eine Setzwaage dar, den Vorläufer unserer Wasserwaage. Mit diesem heute nicht mehr gebräuchlichen Gerät wurde die Waagerechte mit Hilfe eines Senkbleis ermittelt. Dahinter ist ein Zweispitz gestellt, wie er zum Zurichten der Werksteine diente, seitlich eine Maurerkelle und ein Hammer.

 

Die Inschrift datiert aus dem Jahr 1802, wobei gleichzeitig das Datum des damals gebräuchlichen französischen Revolutionskalenders als römische Ziffer X angegeben wurde. Das Wort „Republik" wurde so geschrieben, wie man es in der Pfalz ausspricht: REBUBLICK.

 

Die Inschrift zeigt – ebenso wie die von Rohrbach und Steinweiler – deutlich, dass die religionsfeindlichen Tendenzen der Revolution beim Volk nicht akzeptiert wurden: Der Bauherr Georg Martin Metz errichtete sein Haus „im Namen des Herrn".

 

In Hayna gibt es einen Hinweis auf den Revolutionskalender sogar auf einem Steinkreuz! Im Sockel des Friedhofskreuzes ist auf der linken Seite eingemeißelt:

MEMORIA / CONCORDATUS SUB DIE / XXIXNA MENSIS / MESSIUM ANNI REI PUBLICÆ IXNI / QUO CULTUS / RESTITUEBATUR / HÎC CELTE IN SILICE EST / SCULPTA.

Das Datum entspricht dem 18.7.1801, dem 29. Messidor IX. Pfarrer Otwin Kuntz hat es übersetzt: „Gedächtnis des Konkordates (= Vertrages) vom 29. Tag des Erntemonats des neunten Jahres der Republik, an dem der Cultus (d. i. die Religionsausübung) wieder hergestellt wurde, ist diese Frohbotschaft hier in Stein gemeißelt."

 

Bei der Inschrift auf der rechten Seite war der Revolutionskalender bereits abgeschafft. Interessant ist hier die Nennung Napoleons, dessen Name ausgehauen war und später vertieft erneuert wurde.

ANNO DOMINI MDCCCVII / REGNANTIBUS ECCLESIAM / S'SMO PATRE PAPA PIO VIImo, / REGNUM GALLICANUM / POTENTIS'SMO IMPERATORE / AC REGE [ NAPOLEONE ] / HÆC CRUX QUÆ XIII ANNIS SUB SOLO LATUIT / SUMPTEIBUS FABRICÆ DE / = NUO ERECTA EST

„Im Jahr 1807, zur der Zeit, als der allerheiligste Vater Papst Pius VII die Kirche und der allermächtigste Kaiser und König Napoleon das Gallische Reich regierte, wurde dies Kreuz, das 13 Jahre unter der Erde verborgen war, auf Kosten der Fabrik (gemeint ist wohl die Kirchenfabrik als Kirchenvermögensverwaltung, heute: Pfarrgemeinderat) neu errichtet."

 

Auch andere Steinkreuze lassen aus ihrer Inschrift erkennen, dass sie in der Französischen Revolution zerstört worden waren und später wieder neu errichtet wurden. – Aber dies ist eine andere Geschichte.

 

 

{gallery labels=captions}geschichte/franz_steine/franz_steine06.jpg{/gallery}Die Einführung des Revolutionskalenders war von den Kirchen abgelehnt worden, da mit ihm die arbeitsfreien Sonntage abgeschafft waren. Napoleons Politik war jedoch auf die Unterstützung durch die katholische Kirche angewiesen, und so wurden nach dem Konkordat von 1802 die alten Wochentage wieder eingeführt. Und schließlich kam es zu einem Dekret Napoleons, mit Ablauf des 10. Nivóse XIV zum christlichen Kalender zurückzukehren. Am 1. Januar 1806 war damit diese „kalendarische Verirrung", wie sie der Historiker Hermann Grotefend nannte, endgültig beendet.

 

Link zum Friedhofskreuz Hayna:  http://www.suehnekreuz.de/rhein/hayna.htm#2

• Veröffentlichung:
•  Rudolf Wild: Steinerne Erinnerungen an die Franzosenzeit.
   in: Der Holznagel, Heft 3, Mai/Juni 2010, S. 55-57 (mit 3 Abb.)
•  R. Wild:  Palatinat : le souvenir de l'époque française est inscrit dans les pierres
  Cercle d'histoire et d'archéologie de l'Alsace du Nord, Revue l'Outre-Forêt n° 148, p.31
• Textauszüge:
"Aus Bürgermeistern wurden Maires" und "Die Zeit der kalendarischen Verwirrung"
in: Die Rheinpfalz, Markplatz regional, Ausgaben Bad Bergzabern und Landau, 3.3.2010 

 

 

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