Birkenhördt

Der lokale Naturraum

Die Birkenhördter Wälder sind ein Teil des Pfälzerwaldes, dem größten zusammenhängenden Waldgebiet der Bundesrepublik. Der Begriff Pfälzerwald wurde 1843 zu Johanniskreuz von pfälzischen Forstleuten geprägt. Bei der Gründung des Wandervereins Pfälzerwald im Jahre 1902 stand dieser Name Pate und wurde dadurch der Öffentlichkeit nähergebracht.[1] Der südliche Teil des Pfälzerwaldes wird nach historischen Überlieferungen Wasgau genannt. Er erstreckt sich von Pirmasens bis Bad Bergzabern und reicht im Süden in das Elsaß hinein.[2] Nach einer Beschreibung der Kellerei Birkenhördt von 1772 waren die Dörfer Birkenhördt und Böllenborn noch dem „Westrich" zugeordnet. Der Pfälzerwald stockt überwiegend auf Buntsandstein, und dieser besteht aus verschiedenen altersunterschiedlichen Stufen, die in Schichten (Zonen) zerfallen. In und unmittelbar um das Dorf tritt der Untere Buntsandstein mit den Stauferschichten auf (so benannt nach dem Dorf Stauf bei Eisenberg) und den Annweilerer- oder Leisbühlerschichten. Diese haben einen tonigen Untergrund und sind deshalb nicht so nährstoffarm wie der Boden auf dem Mittleren Buntsandstein. In den Randlagen der Gemarkung und darüber hinaus dominiert der Trifelssandstein, der zum Mittleren- oder Hauptbuntsandstein zählt. Die etwas jüngeren Rehberg­schichten finden wir bei uns nur auf den Berggipfeln.

Auf dem Hirzeck und dem Krummen Ellenbogen (beide außerhalb der Birkenhördter Gemar­kung) bilden die Karlstalschichten den Abschluß.[3] Im Bereich des Mittleren Buntsandsteins ist das Betreiben von Landwirtschaft fast nicht mehr möglich. Diesem Umstand verdanken wir unsere heute so kostbaren Wälder. Nach der naturräumlichen Gliederung, dies ist die Gesamtheit der spezifischen Naturfaktoren (Ökotopgefiige), bestehen in unserem Raum zwei Bodentypengesellschaften, und zwar die Braun­erde im Erlenbachtal und die Braunerde-Podsole im übrigen Gemarkungsteil. Beides sind mehr oder minder arme, sauere (kalkarme) Bodentypen.[4]

 

Die Bodenarten: In einem breiten Gürtel um das Erlenbachtal lehmige Sande bis sandig toniger Lehm; im westlichen Gemarkungsteil Sand bis schwach lehmiger Sand, kiesig. Das Tal selbst ist geologisch gesehen ein Gebiet des Rotliegenden, hier sind die verschiedenen Abschnitte des Bunt­sandsteins ausgeräumt, verschwunden. Der Boden ist durch das natürliche Entwässerungssystem sehr verschieden. Pemöller ordnet in seiner naturräumlichen Gliederung ein Teil der Gemarkung dem Dahner Felsen­land zu. Dieser Streifen reicht vom Hahnental bei Lauterschwan im Westen bis zur Gehlmühle im Osten.

 

Der südwestliche und südöstliche Teil der Gemarkung liegt im Oberen Mundat mit Hochwald. (Diese Gebietsgliederungen sind keine politischen oder historischen Grenzen.) Die naturräumlichen Einheiten, auch Fliesen genannt, zerfallen wiederum in die verschiedensten natürlichen Vegetationsgebiete. Hier wird unterschieden nach dem Auftreten der in besonderer Weise zusammengesetzten Pflanzengemeinschaften und wie der Pflanzenwuchs beschaffen sein würde, falls an den einzelnen Standorten der menschliche Einfluß entfiele. So würde in und um das Erlenbachtal ein Erlen-Eschen-Auwald entstehen, in dessen Nachbarschaft ein Traubeneichen-Hainbuchenwald oder ein Perlgras-Buchenwald. Das Ganze wäre umlagert von Eichen-Birken-oder Buchen-Eichenwald.[5]

 

Diese Überlegungen können uns eine Vorstellung vermitteln, wie vor tausend oder mehr Jahren unsere Landschaft ausgesehen haben mag. Im Herzen des Pfälzerwaldes, z.B. bei Johanniskreuz, finden wir noch heute die ursprünglichen Laubwaldformen.

 

1835 erließ die königlich bayerische Regierung eine Instruktion, die im Abschnitt A „Wahl der Bäume nach dem Klima" auf die einzelnen Klimazonen in Bayern einging. Für Birkenhördt kam danach das Wein- und Hopfenklima in Frage. Da bis 1967 in Birkenhördt ein vorzüglicher Hop­fen angebaut wurde, fällt die Zuordnung in das entsprechende Klimagebiet leicht. Ungeklärt ist nur, inwieweit der Weinbau bei uns eine Rolle spielte. Mit dem Flurnamen „Auf dem Wingert" und ein paar spärlichen Aktennotizen läßt sich keine richtige Deutung erarbeiten.[6] Der Hopfen erfordert zu seinem Gedeihen eine jährliche Durchschnittstemperatur von 9 bis 10° C. Für Birkenhördt liegt diese bei 9° C. Die mittlere Andauer der Vegetationszeit (der mittlere Termin der Haferaussaat im Frühjahr, bis zum Zeitpunkt des Endes einer mittleren Tagestemperatur von 5° C im Herbst) liegt bei 225 Tagen.

 

Das Jahresmittel an Niederschlag beträgt 875 mm und ist somit ausreichend für einen normalen Baumwuchs. Westlich von Birkenhördt nimmt der Niederschlag zu und gegen Osten ab. In der Ortsmitte beträgt die Höhenlage 245 m u.d.M. Genau wie in der Landwirtschaft spielt auch beim Waldbau die Frosthäufigkeit und Frostandauer eine bedeutende Rolle. Für die Oberrheinebene wird der erste Frost um den 28. Oktober und der letzte Anfang April erwartet, wobei natürlich die Eisheiligen, um den 12. Mai, nochmals mit Kälteeinbrüchen aufwarten können.[7]

 

Baumarten

Diese gehen auf unserer Erdkugel in die Tausende, in Mitteleuropa sind durch die Folgen der Eiszeiten nur noch etwa 60 Arten beheimatet, und davon haben lediglich zwei Dutzend eine grö­ßere Bedeutung. In den pfälzischen Wäldern bestand bis in das 18. Jahrhundert die Waldbestockung überwiegend aus Laubhölzern. Die Buche und die Eiche waren die Hauptholzarten. In ihrer Gesellschaft konn­te man die Birke, Erle, Linde, Aspe, Vogel- und Mehlbeere, Esche, Ulme oder Rüster und den Ahorn finden; seltener zu dieser Zeit bereits die Eibe: Die um 1800 in die Pfalz gekommene Robinie (pseudo acacia, ihr richtiger deutscher Name wäre Schotendorn) konnte bis heute noch nicht richtig Fuß fassen. Bei uns treffen wir diesen Baum beim Friedhof und gegen Westen entlang der Bundesstraße an und in kleinsten Gruppen in der gesamten Gemarkung. Die Weißtanne (Edeltanne) ist mit Sicherheit seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert heimisch, vermutlich aber bereits früher. Vellmann erwähnt 1599 eine „Dannenhalt" bei dem Hohen Kopf Um die Mitte des 18. Jahrhunderts verbesserte sich die Versorgung mit Saatgut, dadurch fand auch die Fichte verstärkt zu uns. Belegt ist ihre Anwesenheit schon für das 16. Jahrhundert. Aus dem Alpenraum kam im 18. Jahrhundert die Lärche. In begrenztem Umfang wurde etwas später auch die überseeische Strobe (Weymouthskiefer) hier angepflanzt. Die Edelkastanie dürfte in unserer Gemarkung früher mehr verbreitet gewesen sein. (Flurname „Kastanienhalde"). Zu uns gekommen ist sie mit Sicherheit aus dem nachbarlichen Dörrenbach, einem der umfangreichsten Wuchsgebiete der Edelkastanie der Pfalz. Die Qualität der hiesigen Früchte ist zwar nur mittelmäßig, doch die jahrhunderte lange Anwesenheit dieses klimaanspruchs­vollen Baumes beweist, daß wir tatsächlich am Rande der milden Weinbauzone liegen. Weiter westlich ist die Kastanie kaum noch anzutreffen bzw. reifen die Früchte oft nicht aus. (Die Berge vor Lauterschwan bilden eine wahrnehmbare Klimascheide). Im ersten Drittel des 19. Jahrhun­derts forderte die Regierung den Kastanienanbau sehr. Die Kiefer, die so stark dominiert und in unser Landschaftsbild eine gewisse Monotonie gebracht hat, wurde im 18. Jahrhundert noch als „Unholz" bezeichnet; obwohl sie, wenn auch nur in Trupps und Horsten auftretend, schon seit dem 11. Jahrhundert in der Pfalz zu finden ist. Die Kiefer wird seit einigen Jahrzehnten an vielen Standorten von der aus Nordamerika heimgekehrten Douglasie ersetzt und zwar in so starkem Ausmaße, daß Forstleute von einer Douglasienflut sprechen. Zu den heutigen Hauptbaumarten zählen die Eiche, Buche, Douglasie, Lärche und Kiefer, letztere besonders im Gemeindewald.[8]

 

Unterwuchs

Dieser besteht häufig aus Zwergsträuchern wie Heidelbeere und Heidekraut. Stellenweise ist der Waldboden völlig von Frauen- und Wurmfarn bedeckt. Im Bereich der ehemaligen Niederwälder treffen wir auf den Brombeer- und Himbeerstrauch und Schlingpflanzen wie das Geißblatt. Dem zu den sogenannten Schlagpflanzen gehörenden roten Fingerhut und dem Weidenröschen begegnet man auf Kahlschlägen und an freien Hängen. Nach einem Verzeichnis von 1906 waren in den Birkenhördter Wäldern folgende Pflanzen heimisch: „Brombeer-, Himbeerstrauch, Erd­beere, Heidelbeere, Moose, Efeu, Tollkirsche, Heidekraut, Arnika, Wachtelweizen, Waldmeister, Ehrenpreis, Ginster, Windröschen, Farnkraut, Wurmfarn, Heideseide, Johanniskraut, Flechten, Misteln, Hundsveilchen, Schwarz- und Weißdorn, Taubenkropf, das nickende Leimkraut, Licht­nelke, Blutnelke, wilder Quendel."[12]

 

3.2    Übersicht zur Baumartenverteilung in Prozenten: (Stand um 1982)

  Eiche  Buche  Kiefer  Fichte  Dougl.  Lärche  Tanne  Kastanie
Bundesrepublik      7,7 23 27 42,5        
Rheinland-Pfalz 13,0 28 24 35,0        
Pfälzerwald 15,0 28 43 12,0 2,0      
Kreis SÜW 16 16 48 6,0 ? 3,0 2,0 1,0
Gemeindwald 2 8 71 5,0 1 2,0 8,0 2,0 [13]

 

Die Bedeutung des Waldes für die Menschen in Waldgemeinden und die Entwicklung zum heutigen Wirtschaftswald

Berechtigungen

Die Lebensformen der Birkenhördter veränderten sich in den fünfziger Jahren unseres Jahrhun­derts in hohem Maße. Das Zeitalter der Pendler begann. Der Zeit davor hatte der Wald unverkenn­bar seinen Stempel aufgedrückt. Für viele Walddörfer war die Zeit bis in das 19. Jahrhundert und noch danach ein Ringen um die kümmerlichsten Nutzungsrechte (Berechtigungen). Eine Urkunde aus dem Jahre 1537 vermittelt, wie schnell etwas versagt wurde, was nicht verbrieft war.[14] Aus Akten von 1599 erfahren wir mehr über die dürftigen Waldrechte der Birkenhördter in den herrschaftlichen Wäldern. Der Staats­wald, der heute überwiegend die Gemarkungsgrenze bildet, war damals im Besitz des Klosters Klingenmünster. Zu diesem Abtswald gehörte auch das Tiefental, nordwestlich der Silzer Linde. Das Tal war so schwer zugänglich, daß man von ihm sagte: Daraus fände das Holz fast nicht den Weg zum Käufer. Und in diesem unwegsamen Gelände hatten die Untertanen aus Silz und Blankenborn zusammen mit den fleckensteinischen Birkenhördtern das Recht auf den „After­schlag" (dürre Äste oder Späne, die beim Fällen der Bäume liegen blieben; in der Qualität nicht ganz dem heutigen Schlagabraum gleich). Dazu war noch der Hinweis gegeben, sie mögen ihr Recht nicht zu großzügig auslegen. Das Recht auf das vom Winde gefällte oder gebrochene Holz war nicht gestattet. (Dieses Recht nahm der Förster oft für sich selbst in Anspruch).[15] Später in der Kellereirechnung von 1789 der Eintrag: „Wald Haaber (Hafer), weil die Untertanen im dasigen Wald das liegende Holz sammeln dürfen, zahlt ein Fuhrmann sechs Simmern und ein Handfröhner (Bürger ohne eigenes Fuhrwerk) zwei Simmern." Auf Bitten wurde Birkenhördt und Silz (l 730) auch zugestanden, daß sie aus dem Abtswalde der Observantz gemäß (dem Herkommen nach) das Recht haben, vor Fremden oder Ausländern ihr Brennholz gegen die billigste Bezahlung zu beziehen. Mit dieser Zusage wurde in Erinnerung gebracht, daß die Bürger der beiden Dörfer bei Feuersnot, vor allen anderen Notfallen, im Abts­walde helfen mußten.

 

Die drei Dörfer besaßen auch das Recht, ein Stück Rindvieh auf die Rauhweide (Weide für Rind­vieh und Pferde) zu treiben. Das Weiderecht für die Schweine, die Schmalzweide, mußten sie sich jährlich neu erkaufen.[15a] Leonhart stellt in seiner Schrift „Der Abtswald" die Entwicklung der Berechtigungen ausfuhrlich dar. Er bemerkt, mit dem letzten gemeinsamen Versuch der drei Dörfer im Jahre 1817 war das Bemühen um Holzberechtigungen im Abtswalde für diese Gemeinden endgültig gescheitert. 1848 stellt die Regierung nochmals fest, daß die Birkenhördter keinerlei Rechte im Abtswalde besaßen. Vermutlich ist den Bürgern im Laufe der Zeit die Kenntnis über die bereits vor 1599 bestehenden Berechtigungen entfallen. Ein Weistum, in dem neben dem geübten Gewohnheitsrecht auch Rechte dieser Art aufgeschrieben wurden, war vermutlich nie vorhanden. Deshalb ist ein Bericht des Forstmeisters Albert Wilhelm Anton, Sourd (l 748-1768), an das „Obrißt Forstamt" bei der Geist­lichen Güteradministration zu Heidelberg aus dem Jahre 1768 um so verwunderlicher: „In diesem Abtswald haben die Sgemeinden Siltz, Birckenhörd und Blanckenborn nach alter Observantz (Überlieferung) das Recht Stumpen zu graben, ferner praetendieren (beanspruchen) dieselbe das Ab- und Gipfelholz, so darin abgegeben wird oder Windfalle sich ergeben, wovon man sie aber bis anhero (heute) so viel als möglich hingehalten. Diese Sgemeinden besitzen die rauh Weyd in diesem Walt, so viel ohn schaden abgegeben werden kann."

 

Auch eine eidlich bestätigte Erklärung von neun Bürgern von 1779, von einem Notar beglaubigt, konnte die Holzrechte im Abtswald nicht sichern (vgl. Anmerkung 21). Die Franzosen wußten um die angeblichen „Wald verderblichen Dienstbarkeiten" und erließen deshalb am 28. Ventos XI (19. März 1802) ein Gesetz, wonach Gemeinden oder Einzelpersonen Rechte in den Nationalwaldungen, die sie besaßen, innerhalb von sechs Monaten (für die Rheinpro­vinz wurde diese Frist nochmals verlängert) anmelden mußten. Die Hoffnung der Franzosen erfüllte sich, viele Berechtigungen wurden nicht geltend gemacht, und die spätere bayerische Regierung bekam in vielen Fällen für die Bewirtschaftung ihrer Wäl­der auf diese Weise freie Hand.[16]

 

Die Birkenhördter verloren damals definitiv ihre Rechte.[17] Im Bereich des Forstamtes Kirchheimbolanden gibt es z.B. noch heute Gemeinden, die auf eine jährliche Lieferung von Brennholz, das sogar zur Hälfte aus Buchenscheitholz bestehen muß, Anspruch haben. Die glei­chen Berechtigten haben auch das Recht auf die Selbstgewinnung von Raff- und Leseholz, von Schlagabraum und dem Stockholz („Stumpen"). In anderen Orten muß der Nettoerlös aus dem Walde auf die einzelnen Mitglieder eines Zweckverbandes ausgezahlt werden. Das Bild für Birkenhördt ist etwas verzerrt; denn Birkenhördt besaß schon seit alters umfangrei­che Gemeindewälder, doch leider existiert darüber nicht genügend Archivmaterial, um zu einer klaren Aussage zu kommen, welche Rechte die Bürger im Gemeindewald hatten.[18] Ein Bauholzanspruch, der vielerorts üblich war (zum Fachwerkhausbau in Dörrenbach heute noch) bestand wahrscheinlich nicht, allenfalls das im 19. Jahrhundert noch gesetzlich verankerte Recht auf Brenn­holz, das sogenannte Gabholz, das jährlich angewiesene oder „gegebene", daher Gabe (Holz). Es wurde z.T. in zwei Raten zur Verfügung gestellt, dem Sommer- und Winterholz. Eine der letzten Verordnungen hierzu datiert vom 21. August 1816, danach durfte eine Familie höchstens zwei Klafter (ca. 7 Ster) Scheit- oder Prügelholz sowie 100 Wellen Reisig erhalten. Wurde jedoch das Brennholz aus einem Schlag nach Gemeinderatsbeschluß zum Verkauf bestimmt, um Gemeinde­schulden abdecken zu können, konnte die Gabholzlieferung eingeschränkt werden oder völlig entfallen. (Leseholztage und Laubstreunutzung vgl. Nebennutzungen.)

 

Holzfrevel

Wie sehr die Bewohner vom Wald wirtschaftlich abhängig waren, erhellt der Umstand, daß sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts in riesigem Ausmaß dem Frevel verfielen und die Strafen der bestimmt nicht zimperlichen Herrschaft überhaupt nicht zu furchten schienen. Die Birkenhördter hatten im Holzfrevel über viele Jahre hinweg ihre einzige Erwerbsquelle. Als Diebstahl galt die Entwendung von bereits „gehauenem" Holz und der stille Frevel mit der im 14./15. Jahrhundert aufgekommenen Säge. (Die Axt galt als „Melder" oder „Rufer", die der Förster hören konnte.) Der Schultheiß wurde 1785 beauftragt, die Höfe und Häuser nach gefreveltem Holz zu durchsu­chen, man drohte ihm mit einer Geldstrafe, falls er diesem Gebot nicht nachkäme. Er konnte das „böse Tun" aber nicht eindämmen. Haupttäter waren die ledigen Burschen, die ersten jugendli­chen Arbeitslosen? Diese glaubte die Obrigkeit mit dem Hinweis ängstigen zu können: „Verbringung zum Soldatenstand"; demnach betrachtete die Herrschaft selbst den Soldatenberuf als eine Heim­suchung für ihre Untertanen. Auch die Androhung von Zuchthausstrafen blieb ohne Gehör. Nun wollte die kurpfalzische Regierung das Problem, das seine Wurzel in den sozialen Verhältnissen hatte, mit Gewalt lösen: Militärjäger wurden in Birkenhördt einquartiert. Diese konnten zwar Vorfalle wie die Mißhandlung des Böllenborner Waldhüters Jörg Jacob Dries, der in Weißenburg­er Diensten stand (Mundatwald) und so schwer verprügelt wurde, daß er nach Weißenburg zum Arzt getragen werden mußte, verhindern, doch Wunder konnten die Militärjäger nicht vollbrin­gen.

 

Auf die Frevler blieb auch wirkungslos, daß ihre Karren mit dem gefrevelten Holz beschlagnahmt wurden. Im Mundatwald machten die Böllenborner und Reisdörfler mit den Birkenhördtern gemeinsame Sache. In einem Bericht an das Oberamt Germersheim heißt es: „Es hat seine Richtigkeit, daß der in der Mundat liegende Peterswald, seit einiger Zeit so stark durch die Bürckenhörder Kellerei Zuwohner mitgenommen und ruiniert werde, daß man glauben sollte, dieser Wald sei preisgege­ben (zu ihrer Nutzung) und ergibt den Augenschein, daß nach Abhauung der vielen Bäume... dieser Wald ganz unbrauchbar geworden sei." Und weiter: „Beim letzten Gerichtstag in Bürckenhörd wurde nochmals mit der Zuchthausstrafe gedroht". Die kurpfalzischen Jäger klagten, daß sie ge­gen die auswärtigen Holzhändler aus Bergzabern und die Gerber und Kubier (Hersteller von Holzgefäßen) nicht mit der nötigen Strenge einschreiten könnten.

 

Das kurpfalzische Oberamt Germersheim regte nun bei dem pfalz-zweibrückischen Oberamt Bergzabern an, das Holzkaufen in Birkenhördt unter Strafe zu stellen. Es wurde auch bald eine entsprechende Bekanntmachung veröffentlicht; die „Bösewichte taten aber als sei nichts gesche­hen". Der Handel mit dem gefrevelten Brennholz und den „Seegeklötz" (Bauholz) und der Lohrinde für die Gerber ging munter weiter. Erst der zweiten öffentlichen Mahnung war etwas Erfolg be­schieden.

 

Nun bekamen die Birkenhördter aus den umliegenden pfalz-zweibrückischen Gemeinden Schüt­zenhilfe; diese hatten plötzlich die Schwierigkeit, preiswert an das benötigte Holz zu kommen. Für die Birkenhördter selbst waren noch schlechtere Zeiten angebrochen; denn sie wurden eines „Nahrungszweiges4' (einer Erwerbsmöglichkeit) beraubt. Bereits 1773 hatte man ihnen die Zah­lung der Waldrugegelder (Forststrafen, die auch „Einung und Poen" genannt wurden) auf vier bis fünf Jahre gestundet. Mittlerweile belief sich die Summe der Strafgelder auf 1500 Gulden. Der Amtskeller berichtete, daß es ihm unmöglich sei dieses Geld einzutreiben. Zusammen mit ihren allgemeinen Schulden sei dies ein Betrag, für den die Birkenhördter ihr gesamtes Eigentum ver­pfänden müßten. Der Keller schilderte die hiesigen sozialen Verhältnisse. „Sie haben sich mit geliehenem Capital (Geld) solche Last auf den Hals geladen, daß sie kein neues Capital mehr aufnehmen können. Von den ganz verarmten Untertanen ist nichts herauszubringen. Die Debenten (Schuldner) haben in den Häusern nicht einmal ausreichend Gerätschaft (Hausrat). Ihr Zug- und Milchvieh ist nicht besonders...Den Bürckenhördern Kellerei Untertanen welche vom Ackerbau allein nicht leben können, ist nun durch das ausgelegte (bekanntgemachte) Holzverkaufsverbot, die Nahrung stark entzogen. Durch dieses Verbot geht ihnen auch der legale Verdienst, aus der Holzmacher- und Transportarbeit, verloren."[19]

 

Die Birkenhördter suchten aber auch selbst nach Wegen, ihren Lebensunterhalt auf ordentliche Art zu bestreiten. 1792 stellten drei Bürger den Antrag, eine Tabakfabrik errichten zu dürfen. In einem Begleitschreiben lobte der Keller dieses Vorhaben auf Schaffung einer Erwerbsmöglich­keit und hoffte, daß „in diesem Anbetracht die Waldungen für die Zukunft geschont werden dürf­ten." Auch das Oberamt beurteilte den Antrag positiv und erwähnte: „Einen Nahrungszweig zu gründen sei zu wünschen, da in dieser Gegend bisher alle Industrie (die einzige Verdienstmöglich­keit) im Holzstehlen bestände."[20]

Wilhelm Heinrich Riehl: „Wo aber das Bauernproletariat in Folge der Güterzersplitterung (Erbteilungen)...sich ausgebreitet hat, wo der Einzelne sich in der Lage sieht, weil er nichts mehr besitzt, über den Diebstahl zu philosophieren, da wird er dies auch ganz praktischer Weise tun, und also weit eher mit den Criminalgerichten, als mit den politischen Tribunalen in Berührung kommen. Man hat selten gehört, daß man sich in solchen durch die Güterzersplitterung ruinierten Dörfern viel mit sozialen Theorien plage, wohl aber, daß Holzdiebstahl, Wilderei, Feldfrevel und dgl. daselbst an der Tagesordnung sind."

Die Feststellung des Landcommissariats Bergzabern vom 22. Juli 1848, daß der Gemeindewald von Birkenhördt ein schöner Waldkomplex von 727 Tagewerken sei[21] und darin wenig gefrevelt würde, darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Holzfrevel eine uralte Sache war. Die Weistümer z.B. eines von Fischbach bei Dahn aus dem 15. Jahrhundert belegen dies: „Wi einer im Wald über (dem) holzhauen betroffen, so soll er beiden Herrn (dem Pfalzgrafen und dem Abte von Hornbach) 5 Schilling 2 Pfennig Strafe zahlen, doch wenn er während dem hauen ruft, wäh­rend dem laden peitscht und dann unentdeckt von der Stelle fährt, soll ihm die Buße erlassen sein." Das hieß also, wenn er während dem Holzaufladen angetroffen wurde, konnte er noch gestraft werden, aber nicht mehr, wenn er bereits angefahren war; denn er hatte ja Lärm gemacht und diesen hätte der Waldhüter hören müssen. (Vgl. die „rufende Axt")[22] Im Jahre 1701, in Birkenhördt hielt sich zu dieser Zeit der Holzfrevel in Grenzen, war eine kur­fürstliche Kommission unterwegs, die nach herrenlosen Wäldern und Büschen (Niederwald) forsch­te. Am Donnerstag, den 7. Juli, waren die Forstleute mit ortskundigen Begleitern auf dem Weg nach Lauterschwan. Der Forstmeister berichtet: „...in der Mitte dieses Bezirks hat der Freiherr von Waldenburg, Schenkherr zu Maintz (Waldenburg war seit 1641 Inhaber) des Lehen Berwartstein, zu dem neben der Burg und etlichen Dörfern ausgedehnte Wälder gehörten, elf Familien aus der Schweiz und anderen Orten eingepreßt (angesiedelt), denselben anbefohlen im Dorfe (Lauterschwan) Landwirtschaft zu betreiben." Was die Mennoniten, denn um solche Neu­siedler handelte es sich, in der Pfalz an vielen Orten mit viel Geschick und Fleiß auch taten. „Diese Leuth haben sich nun, außer zwei Familien, lauter kleine Hütten an die Bäum wie die Schwalben Nester angeklebt, darinnen wohnen sie kümmerlich. In den herrschaftlichen und den Gemeinde­untertanen von Birkenhördt eigenthümlichen rothbüsch (der spätere Privatwald im Hahnen- und Langental) haußen sie so jämmerlich, daß es schon ein Schaden von 1000 Rheinischen Gulden gab. Die schönsten jungen Eichen mit großem Schaden für den Wald geschält, abgehauen auch nebst den Ästen, Buchen, Birkenholz und anderem Gehölz zu Brennholz aufgestellt. Täglich fällen sie mehr und mehr, thun solches Gehölz und Rinden nach Bergzabern und andere umliegen­de Orte frei und ohn schlechten Gefallen (ohne jedes Schuldgefühl) verkauffen." Der Forstmeister stellte sich selbst die Frage: ,Wie dieses Tun, ihrem Herrn dem Freiherrn von Waldenburg, verbor­gen bleiben konnte.' Denn dieser Bezirk sei völlig ruiniert. Sie (die Neusiedler) trieben alles, auch Holzkohlenbrennen aber keine Landwirtschaft."[23]

 

Der letzte Freiherr von Waldenburg, Carl Friedrich (1759-1793), verwüstete den Wald, der ihm zur Nutzung überlassen war, auf seine Art. Er wütete darin mit übermäßigen Holzeinschlägen, daß ihm der Kurfürst Einhalt gebieten mußte. Als Rechtfertigung diente dem Waldenburger, daß er keine Leibeserben hätte. Also frei nach dem Motto: Nach mir die Sintflut. Danach muß man das Treiben der armen hungrigen Leibeigenen, die ein paar Jahrzehnte zuvor dem Wald so zugesetzt hatten, mit Milde betrachten. In Lauterschwan und in vielen anderen Orten, die seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert unter französischer Oberhoheit standen (Souveränitätsländer), hatte mit Sicherheit (im Gegensatz zu Birkenhördt, das mit großer Fröm­migkeit und Treue zu seiner Kirche stand) das Gedankengut der Französischen Revolution und das Verhalten der letzten Waldenburger schlechten Einfluß auf die Leibeigenen. 1789 nahmen diese Leibeigenen von dem Waldbezirk Grünberg zwischen Lauterschwan und Erlenbach Besitz. Förster und Waldhüter trauten sich nicht mehr in dessen Nähe. In Busenberg und in anderen Orten ereignete sich zu dieser Zeit ähnliches. 1808 lebten im Departement Bas Rhin 514 096 Menschen, darunter nur 14 Quäker (Mennoniten), und 10 davon lebten in Lauterschwan. (Die Mennoniten von Kapellen und Altenstadt waren als Wiedertäufer erfaßt). Aber auch die Birkenhördter leisteten sich Übergriffe. Um 1789 machte z.B. Balthasar Kögler dem Bergzaberner Geraideförster Bopp schwer zu schaffen. Kögler wurde eines nachts von dem Förster und dessen Begleiter, einem „Jägerpursch" im Geraidewald an der Petronell (heute Gemeindewald vonNiederhorbach), dabei ertappt, wie er gefreveltes Holz abfahren wollte. Kögler flüchtete und ließ seinen Karch samt Pferd zurück. Das Pferd wurde in den Pfandstall nach Bergzabern verbracht und Kögler die Versteigerung seines Pferdes samt Schiff (Wagen) ange­droht, falls er nicht die Strafe in Höhe von 30 Gulden 6 Batzen und 12 Pf. entrichtete. Das Strafmaß entsprach dem Arbeitslohn eines Holzmachers für über zwei Monate, falls er diese Verdienstmöglichkeit hatte. Die Höhe der Strafe wurde in diesem Fall aus dem achtfachen Holz­wert der Eiche, der mit 3 Gulden, 6 Batzen angesetzt war, verrechnet. Hinzu kam eine Gebühr von 2 Gulden, 3 Batzen und 12 Pfennig. Für ein Vergehen im Cameralwald Taubenbühl mußte K. im Jahre 1779 an Strafe den doppelten Holzwert entrichten. Selbst diese hohen Strafen konnten Kögler nicht abhalten, knapp 4 Wochen später nahezu an der gleichen Stelle in der Petronell einen Traufbaum zu ruinieren (in diesem Falle ein Baum, der neben den Grenzsteinen die Grenze zu­sätzlich markierte). Kögler hatte die Gipfeläste abgeschnitten und von diesen die Rinde für Gerbzwecke abgeklopft. Daß Kögler aber ein Einzeltäter gewesen sein muß, beweist dessen Fre-vel, den andere Birkenhördter zur Anzeige brachten. Der Umstand, daß die Anzeigenden mit dem Erhalt einer „Denunciationsgebühr" rechnen konnten, hinterläßt natürlich einen Beigeschmack. In einem anderen Falle, bei dem der Birkenhördter Schweinehirte sein Pferd in dem „zugehäng­ten" Petroneller Wald weiden ließ, bekam der anzeigende Denunziant 5 Batzen, was einem halben Tagelohn entsprach. Am 28. Dezember 1831 und am 30. Mai 1846 erließ die bayerische Regierung Verordnungen gegen den Forstfrevel. Alle bis dahin erschienenen Gesetze und Verordnungen wurden aufgeho­ben. Straferschwerend war jetzt: Holzfrevel in der Nacht oder an Sonn- und Feiertagen oder falls der Frevler sich maskierte und statt der Axt die leise Säge benutzte. Das Ausgraben von Bäumen wurde ebenfalls härter bestraft wie auch das Fällen von jungen Eichen.[24] Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, nach dem Kriege von 1870/71, ließ die Freveltätigkeit nach.

 

Birkenhoerdt

 

 

http://www.birkenhoerdt.de

 

 

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