Die Anfänge von Festung und Stadt - Die Gründung der Zitadelle Friedrichsburg

Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz, Kupferstich von Jacques Granthomme, um 1608Der Plan, am Zusammenfluss von Rhein und Neckar eine Festung zu errichten, spiegelt die im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts immer schärfere Kontur gewinnende Großmachtpolitik der pfälzischen Kurfürsten wider. Ausgangspunkt dieser Entwicklung war die Konversion Kurfürst Friedrichs des Frommen (1559–1576) zum reformierten Glauben.

Auf der einen Seite untergrub dieser Schritt zwar seine Stellung als Reichsfürst, weil die Lehre Calvins nicht zu den im Augsburger Religionsfrieden legitimierten Konfessionen zählte, auf der anderen Seite aber avancierte der pfälzische Herrscher damit zum Haupt der Calvinisten West euro pas. Diese Aufgabe nahm er ebenso ernst wie sein drittgeborener Sohn, Pfalzgraf Johann Casimir: In der Pfalz fanden ihre verfolgten französischen, wallonischen oder niederländischen Glaubensbrüder eine neue Heimstatt, zu ihren Gunsten intervenierten pfälzische Truppen in Frankreich während der Hugenottenkriege und in den Niederlanden während des Unabhängigkeitskampfs der Generalstaaten gegen die spanischen Habsburger. Zwar beruhigte sich die innenpolitische Lage Frankreichs nach der Thronbesteigung Heinrichs IV. (1594) und nach dem Erlass seines Toleranzedikts von Nantes (1598), aber der Unabhängigkeitskampf der Generalstaaten trat nach ihrem Pakt mit England (1596) und nach dem Tod des spanischen Königs Philipp II. (1598) in eine neue Phase.

 

In diesen Kampf war die Kurpfalz seit der 1593 erfolgten Eheschließung des erst ein Jahr selbst regierenden jungen Kurfürsten, Friedrich IV., mit Luise Juliane, einer Tochter des niederländischen Statthalters Wilhelm I. von Oranien, unmittelbar involviert. So verwundert es nicht, dass ein niederländischer Kapitän bereits 1598 in der Kurpfalz nach einem geeigneten Standort für eine Festung suchte, die geeignet war, den Nachschub der Habsburger nach Flandern zu behindern, wenn nicht gar zu unterbrechen, und die Position der protestantischen Reichsstände zu festigen. Deren Repräsentanten, allen voran Graf Johann VII. von Nassau-Siegen und Fürst Christian von Anhalt, beeinfl ussten bald die ambitionierte Politik Friedrichs. Sie waren auch maßgeblich an der im Heidelberger Oberrat am 25. April 1605 gefallenen Entscheidung beteiligt, die geplante Festung möglichst rasch an der Mündung des Neckars in den Rhein zu bauen.

 

Der entschlossene Protest der Mannheimer Dorfbewohner verzögerte das Unternehmen, aufhalten konnte er es nicht. Am 11. Februar 1606 unterzeichnete die Dorfgemeinde den ihr seit November vorliegenden günstigen Revers. Das für die Neuansiedlung vorgesehene nördlich des bisherigen Dorfes gelegene Areal, die spätere Mannheimer Unterstadt, sollten niederländische Ingenieure bewohnbar machen und vor Hochwasser schützen; das Baumaterial für die neuen Häuser stellte die Regierung kostenlos zur Verfügung; zudem erklärte sie sich bereit, die Maurer- und Zimmermannsarbeiten zu unterstützen; den Wert der für den Festungsbau benötigten Weingärten und Felder setzten vier auswärtige Schätzer fest; für deren Ersatz stellte der Kurfürst eige nen Grundbesitz zur Verfügung und befreite nicht zuletzt die Dorfbewohner während der Bauarbeiten von allen Fronarbeiten. Mit der Ratifi zierung des Vergleichs schienen alle Schwierigkeiten beseitigt, fünf Wochen später konnte der Baubeginn der Festung feierlich in Szene gesetzt werden.

 

Für die Grundsteinlegung hatte der kurpfälzische Hof ein besonderes Datum gewählt, dessen Symbolkraft freilich nur der julianische Kalender erhellt, denn der 17. März steht als Vortag beziehungsweise -abend in engem Zusammenhang mit dem Welterschaffungsdatum des englischen Mönchs Beda Venerabilis, für das jener im 8. Jahrhundert den 18. März 3952 errechnet hatte. Die zu errichtende Festung sollte nicht nur eine ›feste Burg‹ des durch Calvin zu seinem wahrem Ursprung zurückgeführten Glaubens, sondern zugleich das Symbol einer neuen, an den Schöpfungsakt unmittelbar anknüpfenden Epoche sein.

 

So verwundert es nicht, dass ein protestantischer Gottesdienst den Festakt eröffnete, zu dem die kurfürstliche Familie sich mit der Heidelberger Hofgesellschaft und zahlreichen Schaulustigen versammelt hatte. Der zeitgenössische Bericht des bedeutenden Juristen und Historiographen Marquard Freher, der seit 1586 in kurpfälzischen Diensten stand, unterrichtet uns genau über den aufsehenerregenden Staatsakt. Eigenhändig hob der Kurfürst die Grube für den Grundstein aus, in dessen Aushöhlung Kronprinz Friedrich, der nachmalige böhmische Winterkönig, das in Gold getriebene Brustbild des Stadtgründers mit einer Inschrifttafel legte.

 

Nachdem ein Maurer den Grundstein mit einer Steinplatte versiegelt hatte, fi el der versammelten Hofgesellschaft die Aufgabe zu, darüber mit Schubkarren und Schaufeln einen Erdhügel aufzuschütten. Damit endete die unter widrigsten Wetterverhältnissen leidende Zeremonie. Der Chronist Freher rechnete den sintfl utartigen Regen und die böigen Winde zu den günstigen Vorbedeutungen und sah in ihnen gar ein Zeichen himmlischer Gnade. Andere Zeitgenossen freilich werteten sie als schlechtes Omen und fühlten sich durch den schleppenden Fortgang der Bauarbeiten, den der aus den Niederlanden stammende Ingenieur Barthel Janson überwachte, und durch wiederkehrende Unfälle in ihrer Meinung bestätigt: Noch im Gründungsjahr ertranken bei einem Wassereinbruch 26 Arbeiter aus Weinheim.

 

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