Burg Gräfenstein (Merzalben, Südwestpfalz)

Burgruine Gräfenstein, Ansicht von Nordosten, 1837, Zeichnung von N.N.Die Oberburg gilt als der älteste Teil der ovalen Wehranlage und dürfte mit jener Burg identisch sein, die 1237 in einer leiningischen Teilungsurkunde erstmals fassbar wird. Eventuelle frühere Besitzverhältnisse und das Erbauungsdatum des Gräfenstein, also die Zeit vor dem genannten Jahr, sind bisher ungeklärt. Allgemein wird angenommen, die Wohn- und Wehranlage sei als Ersatz für die möglicherweise 1168 von Kaiser Friedrich I. Barbarossa gebrochene, nahe gelegene Burg Steinenschloss am Grenzpunkt der drei Diözesen Speyer, Worms und Metz an der Wende des 12. und 13. Jahrhunderts errichtet worden. Dafür gibt es jedoch weder urkundliche noch archäologische Belege. 

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Fest steht lediglich, dass die spätere Herrschaft Gräfenstein zumindest teilweise auf Vogteigebiet der Abtei Herbitzheim an der Saar errichtet wurde. Die Vogtei, zeitweise in der Hand der Grafen von Saarbrücken, kam offensichtlich nach 1212 zusammen mit bedeutenden saarbrückischen Allodien an das zweite Haus Leiningen. Den Zusammenhang mit dem Kloster belegen zwei Urkunden: 1317 merkten die Schöffen von Rodalben anlässlich der damaligen leiningischen Erbteilung an, die Burg sei ein Zinsgut der Äbtissin, alles was im Bann liege sei Eigentum des Klosters und der Graf von Leiningen besäße die Vogtei; darüber hinaus beanspruchte noch im Jahre 1334 das Kloster Her bitz heim die Lehenshoheit über den Gräfenstein, doch scheint dies wohl eher formaljuristischer denn tatsächlicher Natur gewesen zu sein. Entsprechend der leiningischen Teilungsurkunde von 1237 gelangte die Burg mit den Dörfern Rodalben und Merzalben in den Besitz der älteren Linie der Grafen von Leiningen, die nach 1250 die südliche Unterburg erbauen ließ. Die Leininger übertrugen die Verwaltung des Gräfenstein und des zugehörigen Herrschaftsgebietes einem Vogt (erstmals er wähnt 1299), der 1323 Viztum (Stellvertreter des Grafen) genannt wurde. Er hatte seinen Amtssitz auf der Anlage. Darüber hinaus begegnet uns 1275/76 mit Dankrad ein leiningischer Ministeriale, der sich nach dem Gräfenstein benannte.

Bei der Leininger Erbteilung von 1317 fiel die Anlage in das Los Friedrichs V. von Leiningen-Dagsburg und von 1327-42 an Friedrich VI. Jedoch erfreuten sich deren Nachfolger nur kurze Zeit uneingeschränkt der Einkünfte, die ihre Dienstleute aus dem Gräfensteiner Amt (Merzalben, Münchweiler, Kaltenbach, Riegelbrunnerhof, Münchweiler, Rodalben, Clausen und Leimen) eintrieben, denn permanente Geldschwierigkeiten zwangen Friedrich VII. von Leiningen-Dagsburg zu mehrfachen Verpfändungen von Burg und Teilen der Herrschaftsrechte, so 1345 an Johann von Gersbach und 1346 an Baldemar von Odenbach. 1359 versetzten Graf Friedrich der Ältere und Friedrich der Jüngere von Leiningen für 3.000 Goldgulden ein Viertel der Burg an Graf Walram von Zweibrücken. Erst 1362 löste man im Rahmen eines Tauschgeschäftes die Pfandschaft wieder ein. Die weitgehende Einlösung von Burg und Herrschaft bedeutete jedoch keineswegs ein Ende der Verpfändungen, denn bereits im März des Jahres 1362 versetzten die Leininger Leimen an einen Bürger der Stadt Kaiserslautern und ein Jahr später erneut Herrschaftsanteile für 500 Gulden an Walram von Zweibrücken.

Bald darauf folgte die wohl bedeutsamste Transaktion: Noch vor dem 4. Juni 1367 war die Burg als Pfand in die Hand Pfalzgraf Ruprechts I. gekommen, der sie wiederum amtsweise und zeitlich befristet dem Ritter Konrad Landschaden übergab. Dies löste weitere Rechtsgeschäfte aus: 14 Tage später verpfändeten Friedrich der Ältere und Friedrich der Jüngere von Leiningen erneut 7/8 des Gräfenstein und der Herrschaft an Pfalzgraf Ruprecht I.  Gleichzeitig versprach der Pfalzgraf Friedrich von Leiningen die Wiedereinlösungs mög lich keit gegen Zahlung der Pfandsumme in Höhe von 6.100 Gulden. Der Pfälzer war wohl vor allem am Gräfenstein als Befestigungsanlage interessiert, denn er ließ sich von den Leiningern ausdrücklich den Verzicht an jeglichen Rechten an der Burg, vor allem am Turm (= Bergfried oder gesamte Oberburg?) bestätigen. Es verwundert daher nicht, dass Kurpfalz sich auch das Vorkaufsrecht für das verbliebene Achtel vorbehielt und mit allen Mitteln danach trachtete, noch in fremder Hand befindliche Pfandanteile an der Burg auszulösen. So bewog im September 1367 Pfalzgraf Ruprecht I. Dietrich Knebel, dem die Leininger ein Viertel des Gräfenstein verpfändet hatten, zum Verzicht auf das Pfandrecht, indem er die Rückzahlung der Pfandsumme in Höhe von 800 Gulden verbindlich zusagte.

Doch auch die Pfalzgrafen betrachteten Burg und Herrschaft Gräfenstein weniger als Objekt, das selbst genutzt oder an eigene Ministerialen verlehnt wurde, sondern viel mehr als verwertbare Immobilie. Dementsprechend übergab 1371 Kurfürst Ruprecht I. seinem Neffen, Graf Johann III. von Sponheim, die Burg als Mannlehen (RPfalzgrafen 1, Nr. 3983, S. 237). Die Pfalzgrafschaft behielt sich jedoch ausdrücklich das Öffnungsrecht vor. Trotz dieser Verträge kam es in den folgenden Jahren wiederholt zu Strei tig kei ten zwischen den Grafen von Sponheim und Walram von Zweibrücken, der weiterhin die bereits obengenannte Pfandsumme in Höhe von 500 Gulden geltend machte. Diese Streitigkeiten konnten erst 1390 mit Hilfe Pfalzgraf Ruprechts I. beigelegt werden.

Während der Sponheimer Herrschaft kam es 1381 zu einem bemerkenswerten Wechsel in der kirchlichen Zugehörigkeit. Der Kardinallegat Pileus befreite damals Burg und Dorf von der bisherigen Zugehörigkeit zu Metz und unterstellte beide dem Bistum Worms. Da auch die Sponheimer Grafen Burg und Amt als willkommene Geldquelle nutzten, kam es in der Folgezeit zu verworrenen Rechtsverhältnissen: Nach Johann Georg Leh mann versetzte 1393 Graf Johann III. von Sponheim die Burg und ihre Zugehörden an Haneman von Sickingen sowie weitere Burgmannen und Gemeiner, die bis 1420 im Besitz des Anwesens blieben. Nur mit Mühe und Hilfe Kurfürst Ludwigs IV. gelang es den Sponheimern, die Burg gegen den erklärten Willen der Gemeiner wieder einzulösen.

Johann von Sponheim, der von seinem Vetter, Markgraf Bernhard von Baden, ein Darlehen in Höhe von 9.000 Gulden erhalten hatte, gab im August 1420 unter anderem den Gräfenstein dem Markgrafen als Pfand. Am 4. September 1421 stellte Graf Johann von Sponheim seinem Vetter einen weiteren Schuldschein über 20.000 rheinische Goldgulden aus und leistete im Rahmen eines Dreiecksgeschäftes mit Pfalzgraf Ludwig Sicherungbürgschaft sowohl für alte als auch neue Schulden mit mehreren Burgen, darunter auch der Gräfenstein. Dieser befand sich jedoch damals nicht unmittelbar in Besitz des Sponheimers, sondern in der Hand seines Getreuen Reinhard von Remchingen, dem er sie vor dem 27. August 1421 übergeben hatte. Johann von Sponheim ordnete an dem vorgenannten Termin an, Burg Gräfenstein zusammen mit anderen genannten Gütern nach seinem Tod dem Markgrafen von Baden zu übergeben.

Burgruine Gräfenstein, Luftaufnahme, 1999 (Aufnahme: Manfred CzerwinDie rechtliche Situation änderte sich erneut recht schnell, denn auch Bernhard gab das Pfand Gräfenstein weiter. Pfandnehmer war vor dem 16. November 1423 sein Schwiegersohn Graf Emich VI. von Leiningen-Hardenburg geworden, der es als Ersatz für eine Aussteuer in Höhe von 8.000 Gulden erhalten hatte. Gleichwohl kamen Markgraf Bernhard und Graf Johann überein, die Burg als Gemeinschaftsbesitz zu betrachten und etwaige Ansprüche Dritter gemeinsam abzuwehren. Gemeint war Kurfürst Ludwig IV., der ungeachtet der Weiter- und Unterverpfändungen weiterhin Anspruch auf das Öffnungsrecht am Gräfenstein erhob. Erst vor dem pfälzischen Manngericht kam es im Dezember 1423 zu einer Lösung: Einerseits wurde den Leiningern als ursprünglichen Pfandgebern die Wiedereinlösung und andererseits der Pfalzgrafschaft das Öff nungs recht zugestanden. Nur wenige Tage später, am 2. Januar 1424, erklärten Markgraf Bern hard und Graf Emich VI. von Leiningen erneut, dass Pfalzgraf Ludwig das Öff nungs recht am Gräfenstein zustehe. Von nun an blieben die Grafen von Leiningen-Hardenburg bis 1535 im Besitz von Burg und Amt, die sie von einem Schultheißen verwalten ließen. Offensichtlich galten Burg und Herrschaft als wirtschaftlich ausgesprochen attraktiv, weswegen die Pfalzgrafen mehrfach den Versuch unternahmen, neben dem Öffnungsrecht noch weitere Herrschaftsanteile zu gewinnen. Dazu bediente man sich 1434 der ursprünglichen Pfandgeber, der Grafen von Leiningen, und zwang 1440 Markgraf Jakob von Baden sowie Graf Friedrich von Veldenz als Nachfolger der Sponheimer, entweder die Burg innerhalb von zwei Jahren Kurpfalz zu übergeben oder aber die ur sprüng li che Pfandsumme in Höhe von 6.100 Gulden und 400 Pfund Heller zu zahlen. Die Rechnung des Kurfürsten ging jedoch nicht auf, denn Veldenz und Baden zahlten die Pfandsumme tatsächlich zurück und traten in die ursprünglichen Rechte der Grafen von Leiningen ein. Mit dem damaligen Burgbesitzer Graf Emich VI. von Leiningen-Hardenburg wurden dementsprechend 1443 der bestehende Pfandschaftsvertrag erneuert und gleichzeitig das Wiedereinlösungsrecht vereinbart.

Nach dem Tod Emichs VI. teilten seine Söhne Emich VII., Schaffried und Bernhard die Herrschaft. Entgegen der ursprünglichen Absicht, ihren beiden Schwestern den Gräfenstein zu überlassen, fielen zwei Drittel der Burg an Bernhard, der Rest an seine beiden Brüder. Der Teilbesitz Emichs VII. veranlasste wohl Michael Beheim, den Chronisten Pfalzgraf Friedrichs I., zur Annahme, die Burg sei 1471 während der damaligen Auseinandersetzungen zwischen Leiningen und Kurpfalz von Soldaten aus dem kurpfälzischen Amt Neustadt zerstört worden. Diese in der älteren Literatur teilweise übernommene Behauptung ist offensichtlich falsch: Zerstört wurde damals Burg Greifenstein im Elsaß nahe Zabern/Saverne.

Als Burgbesitzer folgte Graf Emich VIII., der 1495 einen Teil und 1501 die gesamte Burg erhielt. 1501 öffnete er in der bayerischen Fehde den Gegnern der Kurpfalz, ins besondere der Stadt Nürnberg, den Gräfenstein, doch blieb dies für ihn und die Burg ohne Folgen. Elf Jahre später wendete sich jedoch das Blatt; als Reichsfeind geächtet, wurde Emich 1518 gezwungen, zugunsten seiner Söhne abzutreten. Während der leiningischen Herrschaft wurden vor allem die nördliche Unterburg so wie die Zwinger- und Toranlagen erweitert und verstärkt. Trotzdem gelang während des Bauernkrieges 1525 dem elsässischen Kolbenhaufen die rasche Einahme. Vor ihrem Abzug brannten die Bauern die Burg nieder. Der Wiederaufbau machte offensichtlich nur geringe oder gar keine Fortschritte, denn noch 1533 waren die Schäden nicht behoben. Nach dem Tod Emichs VIII. im Jahre 1535 gelangte die Wohn- und Wehranlage kurzfristig in die Hand Pfalzgraf Johanns von Simmern und 1540 gegen die Zahlung von 9.000 Gulden an Pfalzgraf Ruprecht von Zweibrücken-Veldenz. Dem Herzog, der die Burg zum Wohnsitz erwählte, verdanken wir den prächtigen Wiederaufbau (4. Bauphase) des im Bauernkrieg beschädigten Gräfenstein. Diese Maßnahme verschlang die damals nicht unbedeutende Summe von 5.172 Gulden. Der Ausbau endete abrupt nach dem Ableben Ruprechts 1544. Als Vormund der unmündigen Kinder übernahm nun Herzog Wolfgang von Zweibrücken die Verantwortung über Burg und Amt. Er ließ den wertvollen Teil des gräflichen Hausrats nach Lauterecken verbringen und übergab die leergeräumte Burg und das Amt der Obhut des „Kellers“ (= Verwalter) Philip Fechtmeister, der damit Nachfolger des 1543 erwähnten Hans Jeger wurde.

Erst zwischen 1560 und 1570 endeten die permanenten Besitzwechsel nach dem Aussterben der Sponheimer mit der Übernahme der Herrschaft Gräfenstein als Teil der Hinteren Grafschaft Sponheim durch die Markgrafschaft Baden-Baden (1771-1793 Baden-Durlach). Im Auftrag der Markgrafen verwalteten Amtleute, so 1581 Hans Hilgart von Hohenecken, Burg und Herrschaft. Die Beamten ließen nach Ausweis zweier Klageschriften der Untertanen in den Jahren 1594/95 Baumaßnahmen durchführen. Ins be son de re verstärkte man erneut die Mauern. Der Gräfenstein, der im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges mehrfach von fremden Truppen besetzt wurde, blieb nicht mehr lange der Mittelpunkt des Amtes, denn im 1782 verfassten markgräflichen Amtslagerbuch ist zu lesen, das alte Merzalber Schloß ... ist anno 1635 durch Ohnvorsichtigkeit der Kaiserl. Partheyen, so darinnen Posto gefasst, in Brand gerathen und völlig eingeäschert worden. Nach dem Abzug der Truppen unterblieb ein Wiederaufbau.

Nachdem 1782 die Ruine durch genehmigte Schatzgräberei weiteren Schaden erlitten hatte und seit der Franzosenzeit auch als Steinbruch diente, wurde 1909/10 der langsame Zerfall durch erste Instandsetzungsarbeiten unterbrochen, denen 1936/37 und seit 1985/86 weitere Restaurierungen folgten.

 

Burgruine Gräfenstein, Grundriss (aus: STEIN/KEDDIGKEIT 1990/94, Kte. 162)

Baubeschreibung

 

Die ovalen Wehranlage ist dreigeteilt: Auf einem zwölf Meter hohen, an den Seiten fast senkrecht abgearbeiteten Felsplateau von ca. 50 Metern Länge und fast 20 Metern Breite, erhebt sich der älteste Teil, die Oberburg; diese wird von einer älteren südlichen und einer jüngeren nördlichen Unterburg umschlossen




Unterburg

Die zweigeteilte Unterburg mit den östlich vorgelegten Zwinger- und Toranlagen umschließt ringförmig die gesamte Oberburg. An den jüngeren nördlichen (3. Bauphase) schließt sich ein älterer zweigeteilter südlicher (2. Bauphase) Teil an.

Nordöstlicher (äußerer) Zwinger und Haupteingang

Den Hauptzugang zur Unterburg sicherten zwei noch recht gut erhaltene kleine Türme an der nordöstlichen Seite des Schlossberges. Der auf der rechten Torseite gelegene, etwas größere, halbrunde Turm hatte dabei eine Doppelfunktion, denn er diente gleich zeitig als Flankierungsturm der äußeren, vorgeschobenen Zwingeranlage. Der Zugangsweg, der noch heute die Spurrillen des Fahrwegs aufweist, führt in einen engen langen Zwinger (Torgasse), der durch zwei weitere (fast vollständig abgegangene) Tore (möglicher weise ein Torbau) zusätzlich gesichert war. Nur wenige Meter dahinter erhebt sich der nördliche Flankierungsturm des anschließenden Nordostzwingers, der gleichzeitig das daneben liegende, erhaltene Zugangstor zu schützen hatte. Im Gegensatz zur ehemals langgezogenen, weitgehend abgegangenen Ostmauer dieser Fortifikation haben sich ein zweiter Flankierungsturm und die südliche Zwingermauer mit ihren eindrucksvollen Schlüssellochscharten gut erhalten. Durch eine kleine rundbogige Pforte, möglicherweise eine Poterne, ist es möglich, die Burg nach Süden wieder zu verlassen. Die genannten Bauteile wurden alle mit Bruchsteinen aufgemauert, die oberen Lagen großteils in den zurückliegenden Jahrzehnten ergänzt.

Burgruine Gräfenstein, Äußere Toranlage (Feldseite) von Nordwesten, 1992Torturm

Die Westseite dieser rechteckigen Zwingeranlage ist mit der eigentlichen, inneren Ringmau er der Unterburg identisch. In diese starke Mauer ist ein rechteckiger, zwölf Meter hoher Torturm (wohl aus dem 15. Jahrhundert) eingefügt. Sein Obergeschoss war nach hinten offen oder lediglich mit einer leichten Fachwerkskonstruktion geschlossen, um es einem eingedrungenen Feind unmöglich zu machen, den recht nahe an die Oberburg gerückten Turm gegen die eigene Burg zu verwenden. Auffällig ist die Verwendung von Buckelquadern mit Randschlag und Zangenlöchern an den Kanten der hochaufragenden Außenmauern des ansonsten glattquadrigen Bauwerks. Im Gegensatz zum hinteren Spitzbogen der einst zweigeschossigen Torbefestigung ist das vordere Tor nicht erhalten.


Nördliche Unterburg

Nur wenig aufgehendes Mauerwerk, meist in den siebziger Jahren freigelegt, kündet von größeren, an die starke Ringmauer angelehnten Wirtschaftsgebäuden und Stallungen im Nord- und im Nordostteil des unteren Gräfenstein. Diese für die Burg als Zentrum der Grundherrschaft bedeutsamen Gebäude haben sich wegen ihrer leichteren Bauweise – vorwiegend Fachwerk in den Obergeschossen und weniger starke Außenmauern – nur in sehr geringen Teilen, meist Fundamenten, erhalten. Dominiert wird dieser Bereich an der Ostseite von dem im späten 15. Jahrhundert (3. Bauphase) an die Kernanlage angebauten, hohen rechteckigen Abortturm. Im Innern des mit glatten Quadern errichteten Anbaus ragen noch heute an der älteren Palaswand die Konsolsteine der versetzt übereinander angebrachten ehemaligen Aborterker vor. Gut sichtbar sind am Fuße dieses wohlerhaltenen Turmbaues die Ausflussöffnungen und Abflussrinnen. Der Wasserversorgung diente eine Zisterne am Fuß des nordwestlichen Oberburgfelsens.


Südliche Unterburg

Südlich schließt sich die dem Bergfried und der Schildmauer der Oberburg halbrund vorgelagerte Unterburg des späten 13. Jahrhunderts (2. Bauphase) an. Zwei Rundbogentore führen in diesen Bereich, der von einer starken Ringmauer umgeben ist. Wohn- und Wirtschaftsgebäude lehnten sich direkt an diese bis zu zwei Meter dicke Mauer an. Neben der Mauerstärke verweisen senkrechte Schießscharten für Bogenschützen und Lichtschlitze im Untergeschoss dieses sehr langen Gebäudes auf den wehrhaften Charakter. Im zweiten Geschoss, das offensichtlich vorwiegend Wohnzwecken diente, befinden sich zahlreiche Nischen mit Sandsteinbänken und Spitzbogenfenstern, sechs Aborterker so wie vier Kaminanlagen. Die Reste einer weiteren Zisterne vervollständigen das Bild.

Burgruine Gräfenstein, Inneres Burgtor, 1992 (Aufnahme: Uwe Welz)Westteil der älteren Unterburg

Als eigenständiger Bereich deutlich kenntlich, gleichwohl zusammen mit dem Südbau errichtet, ist die westliche Unterburg. Dieser kleine, zwingerartig schmale Bauteil kann sowohl durch ein Tor in der nördlichen Quermauer als auch von der südlichen Unterburg durch einen in jüngster Zeit restaurierten, rundbogigen Durchgang (Südtor) in der recht starken, aus rohbehauenen kleinen Quadern errichteten südlichen Quermauer betreten werden. Seitlich dieses Tores befi ndet sich eine abwärts führende Treppe sowie das Zugangstor zu einem früher eingewölbten Keller in der südlichen Unterburg, der bei den Sanierungsmaßnahmen der achtziger Jahre teilweise abgebrochen wurde. Die äußere Ringmauer, gleich stark wie die südliche Fortsetzung, weist im Gegensatz zu dieser keinerlei Öffnungen – weder Schießscharten noch Fenster oder Aborterker – auf. Die Enge des Raumes verbot hier wohl Anbauten im Innenbereich. Eine neuzeitliche Steintreppe anstelle einer ursprünglich in den Sandstein eingehauenen schmalen Treppe führt zur eigentlichen Kernanlage auf dem mehr als zehn Meter höher gelegenen Burgfelsen.


Burgruine Gräfenstein, Grundriss der Oberburg (aus: NAEHER 1887, Bl. 5)Oberburg

Die obere Burganlage ist der älteste Teil des Gräfenstein. Sie besteht neben einem kleinen Hof im Wesentlichen aus dem heute noch zwei- bzw. dreigeschossigen, romanisch-frühgotischen Palas, Keller, Treppenturm, Abortturm, Mantelmauer und Bergfried. Die Zugangssituation wurde offensichtlich mehrfach verändert. Heute erreicht man über die bereits erwähnte steinerne Treppe den rundbogigen Haupteingang. Dies entspricht wahrscheinlich der Zugangssituation der letzten Bauphase. Ursprünglich betrat man das Tor von Süden, d.h. man betrat eine Treppe, die am Fuß des südlichen Oberburgfelsens begann, umrundete die Südwestspitze und erreichte dann die Pforte. Diese sicherte ein darüber liegender Gusserker, von dem lediglich die Kragsteine erhalten sind. Der Zutritt zu diesem balkonartigen Verteidigungsstand erfolgte durch eine große Bogenöffnung über dem Tor. Dahinter, zwischen dem Bergfried und einem runden Treppenturm mit ausgebrochenen Stufen, befindet sich der sehr kleine Burghof, der in einer späteren Bauphase, wie Fundament- und Kaminreste beweisen, überbaut wurde. Nur von dieser beengten Stelle ist der Zutritt zu Turm, Palas und Keller sowie zu einem später hinzugefügten Treppenturm möglich. Vollkommen verschüttet ist eine Zisterne (Brunnen?), die im sehr beengten Burghof unmittelbar vor der Nordwand des Bergfriedes in den Fels getrieben wurde.

 

Burgruine Gräfenstein, Luftaufnahme, 2001 (Aufnahme: Manfred Czerwin)Wohnbau (Palas)

Der hofseitigen Palaswand wurde um 1540 in der vierten und letzten Bauphase der erwähnte runde Treppenturm angefügt, der ein bequemeres Erreichen der einzelnen Stockwerke und des großen Kellers ermöglichte. Von diesem in den Fels geschroteten Raum gelangt man zu einem weiteren, kleineren Felsenkeller unter dem Burghof. Der verbliebene Rest des Wohnbaues war dagegen nicht unterkellert. Das Erdgeschoss des langgestreckten Palas ist seitlich des Treppenturmes mittels einer kleinen Pforte begehbar. Die heute rechteckigen Fenstergewände dieses Wohnhauses sind sicherlich einer frühen Umbauphase zuzurechnen. Sie haben die ursprünglich zwei geteilten, rundbogig gerahmten Fenster ersetzt. Die beiden Obergeschosse besaßen Balkendecken, während ein Teil des Untergeschosses eingewölbt war. In allen Etagen sorgten Kaminanlagen – eine davon wurde während der Restaurierungsarbeiten in jüngster Zeit unverständlicherweise zugemauert – für die notwendige Erwärmung der Räume. Zugänge zu der großen Abortanlage ergänzen das Bild des Palas, dessen innere Raumeinteilung nur noch sehr schwer rekonstruierbar ist. Im Gegensatz zum aus Bruchsteinen erbauten Abortturm, der im Spätmittelalter angefügt wurde und die älteren Aborterker ersetzte, bestehen die Außenmauern des Wohnbaues ausschließlich aus Buckelquadern.

 

Kapelle

 

Der Standort einer 1540 erwähnten Burgkapelle, die Naeher 1887 auf der östlichen Hofseite der Oberburg vermutet, ist letztlich unbekannt. Mög li cher wei se han del te es sich nicht um ein separates Gebäude, sondern es war als Sakralraum in den Palas oder ein anderes Gebäude integriert.

Bergfried und Mantelmauer

 

Die fortifikatorisch wichtigsten Bauten sind ohne Zweifel der allein stehende Bergfried und die ihn eng umschließende Mantelmauer, die einst einen Wehrgang aufwies. Der wehrhafte Charakter beider Bauteile wird durch das Fehlen von Lichtschlitzen und Fenstern sowie die Verwendung von Buckelquadern unterstrichen. Der Grundriss von Mantel und Turm wurde den beengten topographischen Gegebenheiten angepasst, und so ergab sich die im deutschen Sprachraum nur noch zweimal nachzuweisende siebenec kige Form des Bergfriedes. Der ehemalige Eingang in Höhe der Mantelmauer und die hölzernen Decken wurden in der jüngeren Vergangenheit durch eine eingebrochene Öffnung im Erdgeschoss und eine moderne Treppe ersetzt. Dieser ebenerdige Durchbruch ist durch einen nachträglich an der Westseite errichteten kleinen Anbau mit stichbogiger Tonne zu erreichen. Die Mantelmauer, die einen ähnlichen Grundriss wie der Bergfried aufweist, wurde unabhängig vom Turm erbaut und erreicht im Gegensatz zu diesem noch ihre ursprüngliche Höhe.

Wasserversorgung

 

In Friedenszeiten nutzte man zwei Quellen außerhalb der Burg: eine davon befindet sich weniger als fünfhundert Meter entfernt am Ostabhang des Schlossberges und eine zweite nordöstlich des Gräfenstein in einer Gewanne mit dem beziehungsreichen Flurnamen „auf der Wasserschöpf“. Als Ergänzung begnügte man sich mit Regenwasser, das in den bereits erwähnten Zisternen gesammelt wurde.

 

Topographie

 

Gemeinde Merzalben, Verbandsgemeinde Rodalben, Landkreis Südwestpfalz
49*14’31,4’’N          7*45’26,8’’O
RW: 3409534          HW: 5456733

Der frei zugängliche Gräfenstein ist vom Waldparkplatz im Sattel des Vorderen Winschertkopfes und des Schlossberges nach kurzem Aufstieg zu erreichen. Die Höhenburg erhebt sich über zwei Ebenen auf dem Gipfel des 437 Meter hohen Schlossberges. Am Waldparkplatz befindet sich eine Hütte des Pfälzer Wald Vereins.

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Das Buch zum Bericht - Das Pfälzische Burgenlexikon

BurgenlexikonDer Artikel wurde in gekürzter Form entnommen aus: Pfälzisches Burgenlexikon, Bd. 2, F –H, hrsg. v. Jürgen Keddigkeit, Alexander Thon u. Rolf Übel, Kaiserslautern 2002. 448 S. mit zahlreichen, meist farbigen Abbildungnen und Plänen, ISBN 3-927754-48-X. Dieses Werk  sowie die Bände 1, 3 und 4 sind in allen Buchhandlungen zum von Preis von jeweils € 39.90 erhältlich.

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