Josua und Kaleb – Die Kundschafter des Weines
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- Geschrieben von Peter Wasem, Winnweiler
Die Darstellung einer biblischen Episode, die vielfach im Zusammenhang mit dem Weinbau und Weinhandel gebraucht wird, findet sich als Steinrelief gleich an zwei Häusern in Rockenhausen: Die Kundschafter Josua und Kaleb tragen aus dem Gelobten Land eine riesige Weintraube heim.
Neben der wirtschaftlichen Bedeutung, die der Weinbau für Rockenhausen hatte, dürften diese Reliefs auch Ausdruck der damaligen Volksfrömmigkeit gewesen sein.
Für Rockenhausen ist der Weinbau seit 1320 beurkundet. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erreicht er mit rund 60 Hektar Anbaufläche seine größte Ausdehnung. 1972 wurde der letzte Weinberg am Reinhardsberg aufgelassen und damit dieses Kapitel Wirtschaftsgeschichte beendet (1). Angebaut wurden überwiegend Weißweine der Sorten: Sylvaner, Riesling und Traminer. Die besten Weinbergslagen waren der Waldberg, Dörnbach, Wesbach, Reinhardsberg, Neuenberg, Bobersberg, Enselbach und Leinhöhle (2).
Zur Herkunft des Motivs müssen wir die Bibel zu Hilfe nehmen. Im 4. Buch Mose Kapitel 13 und 14 wird die Geschichte der Kundschafter erzählt. Hier eine Kurzversion:
Mose führte sein Volk aus der ägyptischen Gefangenschaft heim in das gelobte Land seiner Väter. Auf diesem Weg lagerten die Israeliten in der „Wüste Paran“. Von dort sandte Mose 12 Männer „von jedem Stamm ihrer Väter je einen“ aus, um das Land zu erkunden. Darunter befanden sich Josua „der Sohn Nuns, vom Stamme der Ephraim“ und Kaleb „der Sohn Jefunnes, vom Stamme Juda“. Als sie nach 40 Tagen zurückkehrten, brachten Josua und Kaleb „eine Rebe mit einer Weintraube und trugen sie zu zweien auf einer Stange“ und berichteten von einem Land, in dem „Milch und Honig fließen“. Die anderen 10 Kundschafter entmutigten das Volk, indem sie behaupteten, es bestehe nicht die geringste Hoffnung, dass Israel die starken Bewohner Kanaans „wir sahen dort auch Riesen, Anaks Söhne aus dem Geschlecht der Riesen und wir waren in unsern Augen wie Heuschrecken und waren es auch in ihren Augen“ besiegen können. Daraufhin entstand im Lager ein rebellisches „Murren“, um nicht zu sagen ein regelrechter Aufstand gegen Mose und den Herrn. Da zerrissen Josua und Kaleb ihre Kleider und versuchten, die Befürchtungen des Volkes zu zerstreuen „wenn der Herr uns gnädig ist, so wird er uns in dies Land bringen und es uns geben“, während sie ihr Volk gleichzeitig ermahnten nicht zu rebellieren „fallt nur nicht ab vom Herrn ... der Herr aber ist mit uns“. Doch ihre mutigen Worte und ihr Einstehen für Gott waren umsonst. Ja, das „ganze Volk sprach, man sollte sie steinigen“. Wegen ihrer Auflehnung wurden die Israeliten von Gott dazu verurteilt „ihr sollt 40 Jahre eure Schuld tragen“ und in der Wüste umherziehen, bis alle, die gegen Gott rebelliert hatten, gestorben wären. Nur Josua und Kaleb „meinen Knecht, weil ein anderer Geist in ihm ist und er mir treu nachgefolgt ist, den will ich in das Land bringen, in das er gekommen ist, und seine Nachkommen sollen es einnehmen“.
So steht die alttestamentliche Geschichte der beiden Kundschafter Josua und Kaleb für die unerschütterliche Treue gegen Gott, aber auch die Einhaltung des Versprechens, das Gott seinem Volk gegeben hat. Die Traube ist Sinnbild für den Reichtum, die Fülle und das Leben, das diejenigen erwartet, die sich dem Willen des Herrn ohne Vorbehalt unterwerfen (3). Die Traube wird im Mittelalter allmählich zum Symbol des Erlösers am Kreuz. Traube und Wein sind auch in der Eucharistie Symbol für den Opfertod Christi. Später kommt eine weitere Deutung hinzu, die auf die Kirchenlehrer Augustinus und Isidor von Sevilla zurückgeht. Die Traube symbolisiert den am Kreuz hängenden Christus, der vordere Träger, der der Traube den Rücken kehrt, wird oft durch einen spitzen Hut oder auch Turban als Vertreter des Judentums gekennzeichnet, während der hintere Träger als Symbol der heidnischen Welt sich Christus zuwendet (4). Das Judentum geht Christus voran und will ihn nicht sehen, während Heiden und Christen Jesus nachfolgen. Diese Darstellung ist auf dem Relief in der Waldbergstraße mit der turbanähnlichen Kopfbedeckung angedeutet.
Während die Darstellungen der Kundschafter mit der Riesentraube bis ins 16. und 17. Jahrhundert überwiegend in Kirchen und als Bibelillustrationen, z.B. in der Heidelberger Armenbibel um 1430, zu finden sind, wird dieses Motiv auch auf profanen Gegenständen immer beliebter. Insbesondere auf Gegenständen und Gebieten, die mit dem Weinbau zu tun haben. Nun werden Fassböden, Wirtshausschilder, Brunnen, Holzmodeln und vieles mehr mit diesem Motiv geschmückt. Ein schönes Beispiel ist die Zunfttruhe der Weingärtner aus Landau von 1784. Sie befindet sich heute Weinmuseum des Historischen Museums der Pfalz.
Heute schwingt vielleicht eher der Gedanke mit, dass eine gemeinsam geschulterte Last leichter zu tragen ist und dass eine gemeinsam erlebte Freude doppelt zählt.
(1) Engel, Armin: Rockenhausen – Die Geschichte eines Landstädtchens, Rockenhausen 1974, S. 154-155.
(2) Weinfachverband der Pfalz (Hrsg): Die Pfalz am Rhein und ihre Weine, Neustadt/Haardt 1927, S. 254.
(3) Graff-Höfgen, Gisela: Die Kundschafter des Weines, Schriften zur Weingeschichte Nr. 134, Wiesbaden 2000.
(4) Sachs, Hannelore; Badstübner, Ernst und Neumann, Helga: Christliche Ikonographie in Stichworten, München – Berlin 1996, S. 201.