Wetzrillen – Kratzspuren des Teufels an der Sippersfelder Kirche

wetzrillen_kl.gifFür die meisten Besucher fast unscheinbar befinden sich am Südportal des Turmes der protestantischen Kirche in Sippersfeld einige Wetzrillen. Fünf ca. 10 bis 17 cm lange und 1 cm tiefe Rillen sind noch gut erkennbar. Über ihren Ursprung gibt es allerlei Spekulation und Aberglaube. Mangels einer eindeutigen Erklärung über ihre Entstehung und Bedeutung nennt der Volksmund sie auch „Teufelskrallen“. Man erzählt sich hierzu, dass der Teufel aus Wut über den Kirchenbau als Haus Gottes an dem Gebäude seine Wut ausgelassen und mit seinen Krallen daran herumgekratzt habe.

 

Pfarrer Rudolf Gillmann äußert sich in seiner Ortsgeschichte (1) demzufolge sehr vage und unbestimmt: „ ... in der Frage der Wetzrillen müssen wir sehr vorsichtig sein, da sie im allgemeinen noch recht ungeklärt sind, und die Wetzungen in verschiedenen Zusammenhängen, wenn auch auf kultischem Untergrund, stehen können. Hier ist es vielleicht denkbar, dass eine besondere Heilkraft in Zusammenhang mit einer Errettung aus Pestnot gesehen wurde, die zum Berühren mit Geräten zur Übertragung einer Weihe führte; es könnte jedoch auch an die Übertragung einer Weihung auf Waffen und ebenso an eine solche im Zusammenhang mit einer Gerichtsstätte, sofern diese vorhanden war, gedacht werden ...“ In der Tat fanden in Sippersfeld jährliche Gerichtstage für das Dorf statt. Ob das Gericht vor dem Portal des Turmes, des ehemaligen Chorraumes tagte, ist nicht überliefert. Aber auch die andere Möglichkeit ist für Sippersfeld bezeugt: Die Sippersfelder Kirche war eine Gelöbniskirche, die man zur Errettung aus schwerer Pestnot errichtete (2).


Die naheliegendste und plausibelste Erklärung zur Entstehung der Wetzrillen scheint jedoch eine ganz andere zu sein. Die Wetzrillen könnten ihre Entstehung dem Feuerschlagen bzw. dem Feuerreiben für liturgische Zwecke verdanken. Und zwar anlässlich des mittelalterlichen Brauches der Feuerweihe während der Karwoche. Walther Klein berichtet hierzu (3): „In manchen katholischen Gemeinden wird noch heute – am frühen Morgen des Karsamstages – auf dem Kirchhof das Oster- oder Judasfeuer nach alter Vorschrift durch Stahl und Stein, auf keinen Fall mit Fixfeuer, entzündet.“ Das Feuer sollte aus dem Stein geschlagen oder gerieben werden, wie Christus, das Licht der Welt, aus dem steinernen Grabe hervorging. Da es ein heiliges Feuer  werden sollte, schlug man es gerne aus den Steinen der geweihten Kirche. Gerade der Hinweis bei der Weihe auf Christus den Eckstein (5) legte es wohl früher nahe, aus einem Kirchenquader das Feuer zu schlagen. Rudolf Wilms führt über diese Technik des Feuerschlagens weiter aus (6): „Noch in der jüngeren Steinzeit erfand der Mensch eine Vorrichtung, um damit in sein Steinbeil das runde Loch für den Stiel zu bohren, ein Gestell, in dem etwa Röhrenknochen, beschwert durch einen Stein, durch die Sehne eines Bogens in rasche Drehung versetzt wurden. In gleicher Weise konnte er auch seinen Holzstab zum Brennen bringen. Wenn er daraus im Laufe der zeit ein handliches und tragbares Gerät entwickelte, hatte er den „Feuerbohrer“, auf den die halbkugeligen Näpfchen an den Kirchenmauern zurückzuführen sind. In ähnlicher Weise haben wir uns auch die langen Wetzrillen entstanden zu denken und zwar durch eine hölzerne Scheibe, die in einem vermutlich dreieckigen Gestell durch eine Kurbel rasch gedreht werden konnte. Durch die Reibungshitze entzündete sich dieses Feuerrad, schliff aber gleichzeitig die Wetzrillen aus dem Stein heraus.“


Vielleicht findet sich auf einem alten Kirchenspeicher oder in einem Heimatmuseum ein solches Feuerrad. Das wäre dann die endgültige Bestätigung für die Herkunft der Wetzrillen.

 

 

(1) Gillmann, Rudolf: Sippersfeld – Pfrimmerhof und Breunigweiler, Heidelberg 1968, S. 354f.
(2) Gillmann, S. 342.
(3) Klein, Walther: Vom Feuerschwamm zum Schwefelholz, in: Pälzer Feierowend 1967, S. 1.
(4) Die Feuerweihe, die früher am Gründonnerstag und Karsamstag stattfand, wurde zuerst nicht in Rom sondern in Deutschland eingeführt, wohl um die Frühlingsfeuer zu Ehren Wotans und anderer Götter durch eine christliche Segnung zu ersetzen.
(5) Ps 118, 22 und Mt 21, 42.
(6) Wilms, Rudolf: Wetzrillen, in: Pfälzer Heimat 1978, S. 152f.

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