Unter Herbstbäumen
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- Geschrieben von Hans Wagner, Trippstadt
Es ist die Zeit, da der Spätsommer dem Herbst den Weg nicht mehr versperrt, der Augenblick, wo der Wald jene Farben zaubert, wie sie selbst auf der Palette eines Landschaftsmalers nicht entstehen können: „Goldener Oktober“!
Wer jetzt die waldreiche Umgebung von Trippstadt erwandert wird reichlich belohnt. Es ist die Zeit in der jeder einzelne Baum sich zu einer eigenen Persönlichkeit zu färben scheint.
Kurz ist der „Goldene Oktober“, der ein einziger Herbststrauß zu sein scheint. Kommt der Wanderer durch Buchenwald, versinkt er bis zu den Knöcheln im sanften Laub.
In einem Laubwald dauert es mitunter bis zu fünf Jahren, bis ein Buchenblatt als solches nicht mehr zu erkennen ist. Bis dahin geht es in Teilen durch Dutzende von Mägen der so genannten Zersetzer, also von Tieren die vom „Abfall“ der Natur leben. Im Laubwald fallen jährlich pro Hektar vier Tonnen Pflanzenmasse an, die es zu verwerten gilt. Mutter Natur bewältigt diese Mengen mit einem Heer von hungrigen Mäulern. Die Erstverwerter der Laubstreu sind Springschwänze, Asseln, Milben, Regenwürmer und Tausendfüßler.
Diese kleinen Bodentiere können jedoch die pflanzlichen Reststoffe nur durchlöchern. Das weitere Zerkleinern obliegt winzigen Bodenbewohnern, die insgesamt noch einmal das hundertfache der Regenwürmer auf die Waagschale bringen. Diese Mikrowelt ist mit mehreren Milliarden Tieren pro Quadratmeter so groß, dass sie der Mensch bisher kaum erfassen und bestimmen konnte. Diese Winzlinge stellen das Bindeglied zwischen der toten Pflanzenmaterie und den größeren Zersetzern der Streu dar. Einige wenige aus diesem Mikrokosmos sind in der Lage, die schwer verdaulichen Teile wie Zellulose und Lignin zu knacken. Sie besitzen hierfür Enzyme, über die nur wenige Abfallverwerter verfügen. Anschließend machen sich Mikroorganismen über den Nahrungsbrei her. Sie verdauen ihren eigenen Kot mit den darauf lebenden Kleinstlebewesen. Die Energieausbeute erhöht sich damit um mehr als das Doppelte. Entgegen der Welt der Menschen kann die Natur ihre „Abfallprobleme“ äußerst nachhaltig regeln.
Es hat etwas tröstliches an sich, im Herbst durch den bunten Buchenwald zu wandern. Der Dichter Sepp Skalitzky hat es vor einem halben Jahrhundert in den schönen Versen uns mitzuteilen versucht:
Das letzte Blatt, ein strahlender Gedanke,
schließt ihm die Welt der schönen Träume auf,
vertönt als Scheidegruß des wachen Lebens
im Abendwind, der Gottes Harfen schlägt.
Ich bin ein Blatt, nur an dem Weltenbaume,
bin das geringste, das der Schöpfer löst
mit seinem Atem, der das Leben lieh,
als Brücke in die ewigen Gefilde.
Es ist so tröstlich wenn die Blätter fallen.
Es sind nicht nur die Buchen die im Herbst in purpurner Farbe zu brennen scheinen. Der wilde Kirschbaum entfaltet um diese Jahreszeit eine üppige Strahlkraft. Erfreut er im Frühling das Herz des Wanderers mit seinen schneeweißen Blüten, so wirkt nun das Rot seines Herbstkleides fast magisch auf uns ein. Aber auch ein Nadelbaum wirft seinen Zauber über uns: Wie brennende Fackeln stehen die Lärchen am Bergeshang. In den frühen Morgenstunden funkeln tausende von silberfarbenen Spinnweben in den Büschen. Wie versponnene Elfenlocken scheinen die Fruchtstände des Waldweidenröschens ineinander verwoben, wenn man Mitte Oktober durch die Trippstadter Wälder streift.
Die unruhige schlanke Birke in ihrem gelbfarbenen Herbstkleid fällt dem Wanderer besonders auf. In ihrer Nähe befinden sich oft die roten Fruchtknollen des Fliegenpilzes. Beide, Baum und Pilz sind durch Symbiose verbunden.
An den Abenden ist es nun schon sehr kühl geworden. Ein Blick in den Herbststernenhimmel zeigt uns das der Winter bald seinen Einzug hält. Tief im Norden werden schon die ersten Vorboten des Winterhimmels sichtbar, insbesondere in Gestalt des Sternbildes Stier, das zumindest für Mittel- und Nordeuropa bereits vollständig aufgegangen ist. Sein Hauptstern heißt Aldebaran, wie ein großer Juwel funkelt er nun am nächtlichen Sternenhimmel.
Herbstzeit ist Wanderzeit!