Warum der Eier legende Osterhase ein „Narr“ ist
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- Geschrieben von Helmut Seebach, Mainz
Osterhase, Osterei und Osternest sind allgemein die volkstümlichen Elemente des Osterfestes und bilden als dominante Dreiheit das profane Gegenstück zum sonst kirchlich geprägten Fest. Ihre Herkunft ist keineswegs im heidnischen Glauben zu suchen und auch nicht mit einem germanischen Fruchtbarkeitskult zu erklären, wie uns alljährlich immer wieder aufs Neue die Medien glauben machen. Der in den März und April fallende Festkomplex mit dem Sonntag Lätare (Sommertag) und dem Osterfest gibt dem Frühsommer sein eigenes Gepräge. Während auf die Scherzfrage, was zuerst da gewesen sei, Huhn oder Ei, zwei Antworten möglich sind, ist die berechtigte Frage, ob es zuerst das Osterfest oder den Eierkult gab, auch nur zweideutig zu beantworten: Es waren Fastnacht und Sommertag, die an aller Anfang standen.
Dass das Osterfest in zeitlicher und brauchtümlicher Sicht unter dem Einfluss der Fastnacht steht, ist kein Wunder: Das kirchliche Fastengebot in den vierzig Tagen vor Ostern schloss den Verzicht auf Eierspeisen ein. So sind die Eierbräuche rund um das Osterei aus dem kirchlichen Generalverbot zu erklären, das schon im 7. Jahrhundert errichtet wurde. Eier galten seither als „flüssiges Fleisch“. Da die Hühner, wenngleich vor dem Aschermittwoch nochmals eigens dezimiert, auf den Frühling hin wieder verstärkt zu legen anfingen, sammelte sich vor Ostern ein beachtlicher „Eierberg“ an, der abgebaut werden musste. Zu diesem Zweck färbte und bemalte man einen Teil der Eier, während man den anderen für die verschiedenen Eierspiele wie etwa das Eierlaufen, -picken oder -werfen verwendete, wodurch der Überschuss wieder auf einen vernünftigen Stand zusammenschmolz. Das erklärt den gigantischen Eierverbrauch im österlichen Brauchtum.
Und es war zum anderen der Sommertag insofern, als Hase und Nest als Frühlingszeichen des symbolischen Sommereinholens gelten können. In Mitteleuropa ist der Brauch des Sommereinführens und Sommereinholens als selbständige Erscheinung oft mit dem Wintervertreiben gewöhnlich auf den Sonntag Lätare verlegt. Man führte - wirklich oder angeblich - dabei ein Tier, z.B. eine Schwalbe, eine Krähe, einen Geier, einen Hahn, einen Fuchs, einen Marder, oder eine Maie mit. Das Frühlingszeichen kann also entweder eine Maie (Pflanze) sein oder ein Tier. Durch das Herumführen von Eier legenden oder Eier/Hühner fressenden Tieren wurde der Frühling angekündigt.
Die gefärbten Eier, die Ostereier, sind aber weit älter als der Osterhase, der sie heute „legt“. Die Ursprünge des Eierfärbens führen uns zurück in die Welt der Kirchen und Klöster des christlich geprägten Mittelalters. Die Unterdrückung des Eierkonsums in der Fastenzeit zeitigte schon früh jene Folge, die für die Entwicklung des Ostereier-Brauches entscheidend werden sollte, nämlich die kirchliche Eierweihe (Benedictio ovorum) im Kanon der Ostermesse. Was bis zum Osterfest, mindestens bis zum Ende der Bußzeit am Gründonnerstag, verboten war, weil es (im geistlichen Sinne) als schädlich galt, wurde durch diese Benediktion wieder zum geweihten, Segen spendenden Gegenstand umgewandelt:
Das Ei veränderte sich durch die Weihe zum Osterei, das nun auch äußerlich als solches kenntlich gemacht werden musste, indem man es einfärbte und auf alle mögliche Weise mit Mustern und Darstellungen verzierte. Der gläubige Christ konnte sich so im Regelfall darauf verlassen, dass das gefärbte oder verzierte Ei auch ein geweihtes Osterei ist. Somit konnte er keinen Fehlgriff tun beim Verzehr, denn es durften nur geweihte Eier gegessen werden.
Später wird der ursprünglich kirchliche Brauch des Eierfärbens im Zuge der Reformation säkularisiert und profanisiert, er weitet sich aus und wird zum Volksbrauch. Bereits um 1700, wahrscheinlich aber schon viel früher, mag die Sitte der farbigen Ostereier in Deutschland schon allgemein bekannt gewesen sein. Die Entwicklung geht also vom kirchlich geweihten Gründonnerstags-Rotei des Mittelalters zum bunten weltlichen Familien-Osterei, wobei wohl auch in diesem Fall der Reformation eine katalysatorische Wirkung zugesprochen werden muss.
Wie kommt es zu der profanen Figur des Eier legenden Osterhasen? Hinter diesen volks- und brauch-tümlichen Erscheinung und Spielhandlung steht nach Erkenntnis der neueren Volkskundeforschung die weitreichende geistesgeschichtliche Vorstellungen vom Hasen als Narren. Das Bild des Eier legenden Osterhasen ist aus der Figur des Eier brütenden Narren hervorgegangen. Das behauptet der aus Annweiler-Queichhhambach stammende und in Mainz lebende Volkskundler Helmut Seebach.
"Ich waaß, was ich waaß, (weiß)
des Hinkel is de Haas,
die Mutter färbt die Eier,
der Vater legt se dann ins Gras!"
Das Buch zum Bericht:
Seebach, Helmut. Sommertag, Ostern, Pfingsten, Johannistag. Alte Feste in der Pfalz, Band 3. Annweiler-Queichhambach 1998.
Gebundene Ausgabe - 217 Seiten
Sommertag, Ostern, Pfingsten und Johannistag unterlagen noch dem Einfluß der Fastnachts- und Fastengebräuche und haben daraus Elemente integriert. Der eierlegende Osterhase erweist sich als eine pfälzische Erfindung. Erstmals wird umfassend über den Pfingstquack als Narrengestalt gehandelt. Die Mai- und Johannisbräuche werden als Ausformungen der dörflichen Sexualkultur verstanden.
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